Sicher wie in Chicago — Protected Bike Lane in der »Windy City«

Radfahrer auf Spurensuche

Köln könnte auf den Ringen »Protected Bike Lanes« bekommen — eine komplette Spur ausschließlich für den Radverkehr

 

Als Chicago am Rhein wurde Köln in den 60er und 70er Jahren von der Boulevardpresse bezeichnet. Die Stadt galt als eine der Hoch-burgen für Prostitution, Gewalt, Glücksspiel und Hehlerei. Ein halbes Jahrhundert später könnte Köln wieder eine Art Chicago am Rhein werden — zumindest nach Meinung der Kölner Fahrrad-aktivisten.

 

Aus Chicago sollen die sogenannten »Protected Bicycle Lanes« importiert und als Teil der Maßnahmen des Radverkehrskonzeptes Innenstadt ab dem kommenden Jahr möglichst großflächig auf den Kölner Ringen realisiert werden. Das Prinzip ist simpel: Die rechte Spur wird farblich markiert und mit Pollern oder Betonkanten von der Autospur abgetrennt. Eine Spur wäre somit komplett dem Radverkehr vorbehalten. 

 

Bei vielen Kölner Aktivisten herrscht regelrechte Euphorie. »Damit kann man eine große Bandbreite an Menschen erreichen, von acht bis 80 Jahren. Das ist unser Ziel«, sagt Christoph Schmidt vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Köln. Durch die strikte Trennung fühlten sich auch unsicherere Radfahrer sicher.

 

Zuspruch erntet die Idee auch bei der Initiative »Ring frei«. Die hatte sich im Herbst 2015 als Reaktion auf mehrere teilweise tödliche Abbiegeunfälle mit Radfahrern gegründet und einen Zehn-Punkte-Plan für die Ringe erstellt. Zentrale Forderung: Der Radverkehr soll auf die Straße — das Chicagoer Modell würde dieser Forderung gerecht. »Wir brauchen einen geschützten Bereich für den Radverkehr«, sagt Initiator Reinhold Goss.

 

Der Weg zu den Protected Bike Lanes ist allerdings weit. Ende Juni verabschiedete der Verkehrsausschuss das Radverkehrskonzept Innenstadt als Handlungsrahmen für zukünftige Verkehrsplanungen. Für die Umsetzung des Konzepts ist die Verwaltung zuständig. Die Verlegung des Radverkehrs auf die Straße an den Ringen ist beschlossene Sache, allerdings schien die Verwaltung bislang eine Shared Bike Lane zu favorisieren: Die rechte Fahrspur teilen sich PKW und Fahrräder, dort herrscht Tempo 30 — auf der linken dürften Autos weiterhin 50 fahren. 

 

Schmidt ist dennoch optimistisch, denn erstmals sind auch ADFC und Co. beteiligt bei der Planung der Vorlagen. Anfang Juli gab es einen ersten Workshop »Ring frei« mit Vertretern von Stadt, Polizei und IHK. Nach der Sommerpause soll es weitere Workshops geben, die Ergebnisse sollen nach einem Beschluss des Verkehrsausschusses in die Planungen einfließen. Eine Umstrukturierung der Ringe erwartet Schmidt für das erste Halbjahr 2017. Das ist optimistisch, aber nicht unrealistisch, denn zur Umsetzung des Radverkehrskonzepts erhält das Büro des Fahrradbeauftragten immerhin fünf neue Stellen. 

 

Ob sämtliche Vorlagen der Verwaltung tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden, darüber entscheidet indes erneut der Verkehrsausschuss. Die dortigen Diskussionen vor der Sommerpause lassen darauf schließen, dass Maßnahmen wie Protected Bike Lanes nicht so klar durchgewunken werden. Noch in den Sommerferien wurde am Hansaring eine neue Markierung für den Radweg angebracht. Anstatt einer ganzen Spur ist wieder nur ein Schutzstreifen aufgemalt. »Das widerspricht der politischen Beschlusslage«, kommentiert der ADFC.

 

Ulrich Soénius von der IHK — sonst durchaus fahrradfreundlich eingestellt — sieht die Umsetzung auf den Ringen generell kritisch. »Das sind zentrale Verkehrsstraßen, da eine ganze Spur wegzunehmen, ist schwierig.« Wichtig sei zum Beispiel der Zugang zu den umliegenden Parkhäusern, um die Parkplatzsituation rund um die Ringe zu entspannen. »Man muss das gesamt-städtebaulich sehen«, sagt Soénius. Aus dem Stadtentwicklungsdezernat heißt es auf Nachfrage der StadtRevue, man müsse die verschiedenen Nutzungen prüfen. Verschiedene Abschnitte müssten zudem unterschiedlich betrachtet werden.  

 

Auch Markus Graf, der für die Grünen in der Bezirksvertretung Innenstadt sitzt, pocht auf einen umfassenderen Blick: »Die Ringe sind nur ein Teilstück, man sollte auch das Gesamtnetz im Blick behalten«, sagt er. Das sieht auch Schmidt so. Die Umsetzung der mehr als 80 Fahrradstraßen und Lösungen für andere zentrale Achsen seien genauso wichtig. Die Nord-Süd-Fahrt zum Beispiel, aber auch das Rheinufer und eine Ost-West-Achse. Und Marco Laufenberg vom Blog »Radfahren in Köln« hält vor allem flächendeckendes Tempo 30 in der gesamten Innenstadt für wichtiger.

 

Ein Gutes hat die Diskussion um die Protected Bike Lanes bereits jetzt: Köln ist auf der Fahrradlandkarte Deutschlands aufgetaucht. Der Bundesverband des ADFC habe ein genaues Auge auf das, was in Köln passiere, weiß Schmidt. Im Erfolgsfalle würde dieses Interesse noch immens steigen. »Wenn wir wirklich als erste Stadt Deutschlands Protected Bike Lanes bekämen, dann würden Verkehrsplaner aus ganz Europa hier vorbeikommen«, ist sich Schmidt sicher. »Das hätte sogar touristische Effekte.«