Als gäbe es keine Wohnungsnot — Auf dem Deutsche-Welle-Areal werden nur zehn Prozent Sozialwohnungen gebaut. Foto: Dörthe Boxberg

Viele Ideen, kein Plan

Die Wohnungspolitik pendelt zwischen Alarm und Gemütlichkeit

In der Wohnungspolitik geht es nicht nur um Wohnungen. Sie ist das Politikfeld, das überwuchert ist mit den unterschiedlichsten Aufgaben und Problemen: die soziale Spaltung der Stadt, die Verdrängung von Mietern, Verkehrschaos, überlasteter ÖPNV, Defizite in der Infrastruktur, fehlende Kitas und nicht zuletzt das Scheitern, Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen.

 

Viele Entscheidungen hat der Rat der Stadt in den vergangenen Monaten getroffen, um auf das erwartete Bevölkerungswachstum zu reagieren: 160.000 Einwohner mehr sind bis 2029 vorausgesagt. Ein Gesamtkonzept dafür ist kaum zu erkennen. Das Stadtentwicklungskonzept Wohnen (STEK Wohnen) ist nur Stückwerk.

 

Ein Ratsbeschluss vom 20. Dezember zeigt das erneut. Mehrheitlich wurde entschieden, wo in Köln neue Wohnungen entstehen sollen. Bereits vor knapp einem Jahr hatte die Verwaltung eine Liste mit Flächen vorgelegt, die dafür in Frage kommen. Denn bis 2029 werden 66.000 neue Wohnungen benötigt. Doch nicht einmal für die Hälfte gibt es Flächen. Daher legte die Verwaltung eine Liste mit Gebieten vor, auf denen zumindest 17.800 Wohnungen entstehen könnten — selbst dann sind aber 17.000 potenzielle Wohnungen noch nicht im Planungsstadium.   

 

Der Verwaltungsvorschlag wurde 2016 in den Bezirksvertretungen debattiert. Meist befanden die Bezirkspolitiker, dass insbesondere in ihrem Stadtbezirk schon genug gebaut werde. Denn wenn gebaut wird, nimmt meist nicht nur der Verkehr zu und die Baustellen belasten die Nachbarschaft, sondern oft werden auch Grünflächen oder Frischluftschneisen zerstört. Vor allem die Pläne, entlang des Inneren Grüngürtels zu bauen und Schrebergärten abzureißen, riefen Proteste hervor. Das und die Bebauung entlang der Rennbahn in Weidenpesch wurden nun verhindert.Aber auch 2000 Wohnungen sind durch Streichungen von Flächen verhindert worden, es fehlen nunmehr 19.000. Nimmt man die Bevölkerungsprognose ernst, ist soeben ein Desaster beschlossen worden. Wenn nicht genug Wohnungen errichtet werden, steigen die Mieten. 

 

Die SPD empört sich, die schwarz-grüne Ratskoalition habe ihre Klientel schonen wollen. Rafael Struwe (SPD) dankte auch nur »den meisten« Bezirksvertretungen für ihre Arbeit: Im Bezirk Lindenthal, seit Jahren von CDU und Grünen geführt, wird es kein einziges neues Wohnprojekt geben. Während Chorweiler mehrere Flächen größer als zehn Hektar zur Verfügung stellt, unter anderem ein neues Stadtquartier in Kreuzfeld, verweigert sich Lindenthal komplett. Teresa di Bellis (CDU) verteidigt die Entscheidung: In Lindenthal sei in den vergangenen fünf Jahren ein Viertel aller städtischen Wohnprojekte umgesetzt worden. 

 

Unterm Strich sehen CDU und Grüne eine gute Grundlage — aber die ist allmählich zu wenig. Immerhin hat die Politik flankierende Maßnahmen beschlossen, etwa um Gentrifizierung zu verhindern. Mit Sorge blicken viele auf die Verdrängung von Mietern durch die Aufwertung von Wohngebieten. Durch steigende Mieten wird das angestammte Klientel durch reichere Mieter ausgetauscht. Ausgehend von einer Initiative von Linke und der SPD hat der Stadtrat Mitte November einstimmig die Verwaltung beauftragt, »Milieuschutzsatzungen« zu prüfen. Damit könnten in bestimmten Gebieten Eigentümern zum Beispiel Sanierungen untersagt werden, um die Mieten zu erhöhen. Ein ähnlicher Auftrag wurde aber schon 2013 erteilt. Als Antwort kam, dass dafür »vertiefte sozialräumliche Untersuchungen« nötig seien — und damit mehr Zeit und Personal. Sogenannte Verdachtsgebiete konnten nur in Mülheim und im Severinsviertel lokalisiert werden. Das Verfahren will man nun vereinfachen und die Politik früher über den Stand der Entwicklungen informieren. Derzeit arbeitet die Verwaltung daran.

 

Ein anderes Instrument, die soziale Mischung in den Veedeln zu erhalten oder zu fördern, sollte das »Kooperative Baulandmodell« sein. Man wollte damit sicherstellen, dass Investoren bei Projekten ab zwanzig Wohnungen dabei dreißig Prozent als Sozialwohnungen errichten. Außerdem sollten sie teils die Kosten für soziale Infrastruktur übernehmen: also für Grünflächen, Spielplätze, aber auch für neue Kitas oder Grundschulen. Doch allzu oft gab es Ausnahmen. Etwa bei den ehemaligen Arealen der Deutschen Welle in Bayenthal sowie des Güterbahnhofs Ehrenfeld. Die Stadtspitze teilt mit, dass das Kooperative Baulandmodell »noch keine optimale Wirksamkeit entfalten konnte« — im Klartext: Da hat seit Jahren etwas ganz und gar nicht funktioniert. Das wissen auch die Politiker jeglicher Couleur. So gab der Rat eine Überarbeitung bei der Verwaltung in Auftrag. Die liegt nun vor und könnte im Februar oder April beschlossen werden.

 

Das sind viele Ideen, die anderswo schon erfolgreich erprobt worden sind. Aber dass nun weniger Flächen für neue Wohnungen beschlossen wurden als geplant, bedeutet Stillstand. CDU und Grüne argumentieren, noch mehr Bauflächen würden auch neue Probleme schaffen, wenn nicht zugleich auch ein ÖPNV-Anschluss oder Kita-Plätze in der Nachbarschaft vorhanden seien. Das zeigt wiederum, dass es eben keinen übergreifenden Masterplan gibt — ganz zu schweigen davon, dass bislang keine wohnungspolitische Initiative über die Stadtgrenzen hinaus gestartet wurde. Und solange können die Versäumnisse auf einem Gebiet (etwa dem Wohnungsbau ) mit dem Versagen in einem anderen Bereich (überlasteter ÖPNV) entschuldigt werden. Die Kölner Wohnungspolitik befindet sich im Zustand eines gemütlichen Alarmismus.