Chaos am Nadelöhr: Die KVB-Bahnen 1, 7 und 9 sollen unter den Heumarkt , Foto: Dörthe Boxberg

Ein bisschen unterirdisch

In Köln wird über eine neue U-Bahn nachgedacht – die Politik hat davon aus der Presse erfahren

Andrea Blome ist die neue Verkehrsdezernentin. Sie soll den Kollaps noch abwenden. Ihr Dezernat wurde von Grünen und CDU im Rat eigens geschaffen. Es hieß, die Herausforderungen seien zu umfassend, um sie weiter im Dezernat für Stadtentwicklung, Planen und Bauen zu belassen. Dort ist Dezernent Franz-Josef Höing vor allem damit beschäftigt, dringend benötigten Wohnraum zu schaffen.

 

Das erste Thema, das Andrea Blome nun aufs Tapet bringt, sorgt schon für Aufregung: ein möglicher U-Bahn-Bau vom Heumarkt bis zum Neumarkt, vielleicht aber bis zum Rudolfplatz — womöglich auch unter der Inneren Kanalstraße hindurch bis Melaten. Oder: doch keine U-Bahn. Was ist los?

 

Planungsdezernent Franz-Josef Höing, bis Ende 2016 noch zuständig für den Verkehr, hatte 2016 die stadtentwicklungs- und verkehrspolitischen Sprecher der Fraktionen einige Male zusammengerufen. Es soll um die Machbarkeitsstudie zur Ost-West-Achse gegangen sein, vor allem um das Teilstück von Heumarkt bis Neumarkt — oberirdisch oder auch unterirdisch. Über die Ergebnisse wurde Stillschweigen vereinbart. Jetzt hat jemand geplaudert, und das Thema ist in der Welt, ohne dass die Studie den Politikern vorläge. Erst dann aber kann ernsthaft über Vor- und Nachteile der Varianten diskutiert werden.

 

Dass Blome über einen neuen U-Bahn-Bau kurz vor dem achten Jahrestag des Archiveinsturzes redet, ist zumindest kess. Dass Blome aber in der Kölnischen Rundschau über die Machbarkeitsstudie spricht, ohne dass den Ratspolitikern deren Ergebnisse kennen, hat für Unmut gesorgt.

 

»Ich habe davon aus der Presse erfahren«, sagt Susana dos Santos, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Doch sei es »richtig, das Thema anzugehen.« Die KVB-Linien 1, 7 und 9 sind völlig überlastet. Die SPD wolle die Machbarkeitsstudie abwarten, sagt dos Santos — aber es könne nicht sinnvoll sein, eine U-Bahn vor einer Kreuzung wieder aus dem Untergrund kommen zu lassen. Das aber wäre bei der Minimalvariante so, wenn die Station Heumarkt unter die Erde verlegt würde und die Bahnen kurz vor dem Neumarkt wieder auftauchten.

 

Die FDP hingegen fordert erneut, groß zu denken: eine U-Bahn von der Deutzer Brücke bis hinter die Innere Kanalstraße zum Melatenfriedhof. Das ermögliche zudem, dass Bahnen mit drei statt zwei Waggons führen— die oberirdischen Haltestellen sind dafür zu kurz. Diese »Dreifach-Traktion« ist für FDP-Fraktionschef Ralph Sterck das »Zauberwort«. 50 Prozent mehr Fahrgäste könnten in einer Bahn fahren. 

 

Susana dos Santos sagt, die Innenstadt sei dann zunächst über Jahre noch stärker belastet. Sie empfiehlt »kleine, intelligente Ideen« — unabhängig von der Entscheidung, wie lang eine U-Bahn-Strecke gebaut werde. Einiges ließe sich mit verbesserten Signalanlagen erreichen. Außerdem gebe es an der nördlichen Seite des Neumarkts ungenutzte Bahnsteige. Auch im Masterplan für die Innenstadt, der 2009 beschlossen wurde, heißt es, »Vorrang vor der großen technischen Lösung sollte in jedem Fall die intelligente und baulich minimal-invasive Lösung haben.« Und damals stand noch das Stadtarchiv, es gab kein Opern-Desaster, und man plante keine »Historische Mitte« vor dem Dom. Wie die Stadt da noch eine Ost-West-U-Bahn koordinieren will, bleibt rätselhaft. 

 

Die frühzeitige und umfassende Bürgerbeteiligung stände so zum einen unter dem Eindruck des Unglücks beim U-Bahnbau 2009 und der Tatsache, dass die Nord-Süd-Stadtbahn immer noch nicht fährt. Zum anderen aber auch unter dem Eindruck des Chaos auf den Linien 1, 7 und 9. Ein stadtgesellschaftlicher Konsens ist kaum zu erreichen.

 

Der Verkehrsausschuss tagt am 21. März. Bis dahin sollte Blome eine Vorlage einbringen, damit sich die Gemüter nicht schon ohne Kenntnis der Studie erhitzen.