Das Wummern des Erdmagnetfeldes: Klangsuche von Merzouga

In Darkness let me dwell

Ein Hörspielexperiment im Deutschlandfunk zeichnet die Antarktis-Expedition von Ernest Shackleton nach

Hörspiele haben wieder Konjunktur. Das mag mit der allgegenwärtigen Bilderflut zu tun haben, die die eigene Phantasie suspendiert. Hörspiele fördern die Vorstellungsfähigkeit. Das Hörspiel »In Darkness let me dwell — Lieder aus der Finsternis« des Kölner Duos Merzouga setzt Ernest Shackletons Trans-Antarktis-Expedition des Jahres 1915 akustisch in Szene. Und produziert dabei Imaginationen »kalbender Eisberge«.

 

Ein gespenstischer Schiffsgong eröffnet die einstündige Reise. Dann berichtet die körnige Stimme von Christian Brückner, den man vor allem als Synchronsprecher von Robert de Niro kennt, von einer mondlosen Nacht, in der sich »meterdicke Schollen« unter den Rumpf von Shackletons Schiff schieben. Dazu rauscht es unheilvoll, dumpfes Donnern lässt an den Schiffsrumpf brandende Wellen assoziieren. Merzouga, das sind Eva Pöpplein und Janko Hanushevsky, kreieren dräuende elektroakustische Klanglandschaften, der Schlagzeuger Lucas Niggli, dessen ultraenergetisches Spiel man von der Jazzcore-Trio Steamboat Switzerland kennt, sorgt für Dramatik. 

 

Shackletons Expedition scheiterte, das Forschungsschiff »Endurance« wurde vom Packeis zerdrückt. Das »Goldene Zeitalter der Antarktis-Forschung« fand während des 1. Weltkriegs ein vorläufiger Ende. Sounds aus der Unterwasserwelt des Weddellmeeres setzen im Hörspiel die Reise dort fort, wo sie 1915 endete: im Untergang. Schwarze Wellen schwappen über den Köpfen der Hörer zusammen, tiefer und tiefer sinkt man in die »Stätte der Finsternis«. Das hohe Klicken der Orcas, die mit Echo-Ortung jagen, ist zu hören, dazwischen die Chirps der Weddellrobbe.

 

Die Unterwasseraufnahmen stammen von einem Observatorium des Alfred-Wegener-Institutes, das unweit des Ortes, an dem Shackleton scheiterte, heute die Antarktis erforscht. Das Hörspiel schlägt damit einen Bogen in die Gegenwart. Die Antarktis bleibt Geopolitikum, im Jahr 2048 läuft der Umweltschutzvertrag aus, ihr Reichtum an Ressourcen lockt. Der Kontinent ist Menetekel des Klimawandels und Zeugnis des schwächer werdenden Erdmagnetfeldes. Merzougas prämiertes Hörspiel macht auf höchst unterhaltsame Weise darauf aufmerksam, dass das ewige Eis nicht ewig währt.