Regional ist besser: Dorle Gothe und Sven Johannsen von der Regionalwert AG zu Gast bei der Stadtrevue, Foto: Manfred Wegener

»Gewinn mit Sinn«

Dorle Gothe und Sven Johannsen wollen den regionalen Bio-­Landbau stärken ­— mit einer Bürgeraktie

Wenn man Geld verdienen möchte, ist eine Regionalwert-Aktie das Falsche, nicht wahr?

 

Sven Johannsen: Jein. Auch wir möchten Rendite erwirtschaften, aber eine Kapitalmaximierung ist nicht Sinn der Sache — keine Frage.

 

Was dann?

 

Dorle Gothe: Die Rendite ist eine sozial-ökologische. Wir möchten, dass Betriebe regional und ökologisch arbeiten. Das wird auf allen Produktionsstufen weniger: Die Erzeuger stellen kaum auf Bio um, inhabergeführte Bioläden müssen schließen, auch Metzgereien und Schlachtereien. Diese Entwicklung möchten wir aufhalten.

 

Warum geht es gerade kleinen ­landwirtschaftlichen Betrieben schlecht?

 

Gothe: Es gibt nicht die eine Ursache, aber die Entwicklung ist dramatisch. Die Erzeugerpreise sind etwa bei Milch und Fleisch so gering, dass man von einem kleinen Betrieb nicht mehr leben kann. Man muss wachsen, um profitabel zu bleiben. Doch immer größere Ställe und Flächen und effizientere Pestizide haben schlimme Folgen für Umwelt, Mensch und Tier. Gleichzeitig ist Land teuer, es ist für andere Branchen zu einem Renditeobjekt geworden. Außerdem wird mehr Ware über große Konzerne im Lebensmitteleinzelhandel vertrieben — nicht über inhabergeführten Betriebe. Das betrifft auch die Verarbeitung, die Schlachtereien, Molkereien oder Metzgereien.

 

Was ist die Folge?

 

Gothe: Dass Verarbeitungsstrukturen mit kurzen Wegen nach und nach verloren gehen — und damit auch das Know-how, die Arbeitsplätze und die regionale Wertschöpfung. Was bliebe, wären wenige große Verarbeitungsstätten und monotone Landschaften.
Johannsen: Es würde auch das Verständnis dafür verschwinden, dass Landwirtschaft mehr leistet, als Nahrungsmittel zu produzieren. Sie schafft unsere Ressourcen! Sie bewirtschaftet und verwaltet Wasser, Luft, Erde. Wir möchten, dass das ökologisch passiert. Die Leistungen der Betriebe sind verschieden. Die einen legen Hecken oder Streuobstwiesen an. Die anderen leisten Bewusstseinsarbeit. Es gibt Betriebe, die haben 5000 Menschen auf ihren Hoffesten und vermitteln, was ökologischer Landbau bedeutet. Wir nennen das: Gewinn mit Sinn.

 

Wie möchten Sie den Betrieben
helfen?

 

Gothe: Wir bauen ein Netzwerk von inhabergeführten Betrieben auf, die voneinander profitieren. Wir verfolgen zwei Linien. Zum einen möchten wir sowohl auf der Erzeugerebene als auch auf der Handelsebene Betriebe als Lizenzpartner gewinnen. Zum anderen möchten wir Betriebe gezielt unterstützen, indem wir uns beteiligen.

 

Als ein großes Problem der Landwirtschaft gilt die Nachfolge.

 

Gothe: Viele Landwirte sagen ihren Kindern: Lass’ das bloß sein! Es gibt aber auch rentable Betriebe, bei denen es in der Nachkommenschaft kein Interesse gibt. Finden Sie dann mal einen ausgebildeten Landwirt, der mit Ende 20 ein oder zwei Millionen Euro auf den Tisch legen kann, um einen Hof zu kaufen. Wir möchten dafür eine Lösung anbieten, etwa durch die Finanzierung einer außerfamiliären Nachfolge.

 

Es geht also nicht nach dem ­Reißbrettverfahren?

 

Johannsen: Wir legen schon standardisierte Kriterien an. Aber wir wollen den Bauern an der Stelle im Stall treffen, wo er abgeholt werden möchte. Der eine sagt, er braucht Kapital, weil seine Melkställe in die Jahre gekommen sind. Der andere braucht Wissen darüber, wie er auf Bio umstellt.

 


Man hat den Eindruck, die Menschen interessiere wieder, was sie essen und woher das kommt.

 

Johannsen: Es gibt ein Bewusstsein dafür — auch in der Stadtgesellschaft. Das liegt auch an Initiativen, die mobilisieren. Food Assembly, Solidarische Landwirtschaft, der Ernährungsrat…
Gothe: Eigentlich gibt es in der Stadtgesellschaft zwei Trends: den Wunsch nach Regionalem und den nach Bio. Beides boomt bis in den Einzelhandel. Menschen haben ein Bedürfnis danach — und die Industrie reagiert. Selbst Coca-Cola wirbt mit Regionalität. Was absurd ist, aber eben ein Marketing-Instrument. Das Problem ist, dass es schwierig ist, regionale Produkte in Bio-Qualität zu bekommen. Viele Verbraucher sind nicht gut informiert, manche sogar fehlinformiert: Es gibt Labels, die irreführend sind. Landliebe etwa sieht aus, als wäre es Bio. Ist es aber nicht.

 

Die Regionalwert AG gibt es schon in anderen Regionen. Wie geeignet sind das Rheinland und Köln als Standort?

 

Johannsen: Auf dem Kölner Boden ist mehr Landwirtschaft, als man denkt. In Poll, Sürth, Weiß oder Worringen. Das Rheinland bietet eine spannende Kombination für Stadt-Land-Partnerschaften: Die Urbanität bringt das Kapital und die Nachfrage, trotzdem gibt es viele Flächen — etwa auch in der Zülpicher Börde.
Gothe: Die Grundvoraussetzungen sind wunderbar. Allerdings hat die Region zum Beispiel im Ackerbau nur etwa ein Prozent Biofläche. Es gibt noch viel zu tun.

 

Dorle Gothe ist Vorstand und Sven Johannsen ist Aufsichtsratsvorsitzender der Regionalwert AG Rheinland. Die Gesellschaft wurde im April 2016 gegründet, um den Bio-Landbau und regionale Verarbeitungsstrukturen zu stärken. Sie führt regionale Biobetriebe zu einem Partnernetzwerk zusammen. Die Unternehmen verpflichten sich, ökologische und soziale Standards einzuhalten. Aktionäre können sich an der nicht börsennotierten Gesellschaft beteiligen. Weitere Informationen: regionalwert-rheinland.de