Elektronengehirn für Ampelmännchen

Mit einem neuen Superrechner will die Stadt Köln den Verkehr in den Griff bekommen

»Wozu noch Frühstück? Ich beiß bei jedem Stau ins Lenkrad.« Die nordrhein-westfälische CDU schien gewusst zu haben, wo sie potenzielle Wähler mit ihren Wahlplakaten abholen muss: beim täglichen Groll auf der Straße. Der ist gerade in Köln groß. Der Verkehrsdruck ist vor allem zu den Stoßzeiten gewaltig, durch die Stadt schiebt sich dann eine Blechlawine im Stop-and-go-Stakkato. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Eine von ihnen ist, dass ein veraltetes Ampelsystem den Kölner Verkehr regelt. Besserung verspricht ein neuer Verkehrsrechner, dessen Anschaffung nun beauftragt worden ist.

 

Derzeit verwalten sieben Verkehrsrechner die meisten der 968 Ampelanlagen in Köln. Sowohl diese zentralen Computer unter der Domplatte als auch die Ampeln entsprechen nicht dem Stand der Technik. Die ältesten Ampelanlagen stammen aus den frühen 70er Jahren, viele weitere sind nur unwesentlich jünger. Die Ausfallquote der Ampeln ist gewaltig. Als Anfang 2016 etwa die Ampel an der Kreuzung von Luxemburger Straße und Universitätsstraße versagte, stand tagelang der Verkehr in mehreren angrenzenden Stadtteilen still. Beispiele wie dieses gibt es viele — und sie mehren sich.

 

»Das Problem ist der Stadt seit mindestens zehn Jahren bekannt«, sagt Roman Suthold, der beim ADAC Nordrhein für Verkehr und Umwelt verantwortlich ist. Entstanden ist es allerdings schon davor. »Von Mitte der 90er Jahre bis 2007 gab es weder Geld für Optimierungsmaßnahmen an den Ampelanlagen noch für zusätzliches Personal«, erklärt Susanne Rosenstein, die im Amt für Straßen und Verkehrstechnik als Sachgebietsleiterin für die Kölner Ampeln zuständig ist. Das Ampelsystem funktionierte in dieser Zeit zwar, aber es alterte vor sich hin. »Das ist so, wie wenn man jahrelang nicht zum Zahnarzt geht: Am Ende wird es teurer und schmerzhafter«, sagt Suthold.

 

Mittlerweile tut es der Stadt richtig weh, die Altlasten schmerzen. 2008 legte die Verwaltung ein Erneuerungsprogramm auf, in dessen Rahmen bis zu 35 Ampeln pro Jahr ausgetauscht werden können. Im Frühjahr 2014 folgte der Ratsbeschluss, mit einem Investitionsvolumen von 3,2 Millionen Euro einen neuen Verkehrsrechner anzuschaffen. Dass es den Rechner drei Jahre später noch immer nicht gibt, lag an einem Formfehler in der Verwaltung: Nachdem ein externer Gutachter ein Konzept für das Ampelsystem ausgearbeitet hatte, das auf der Technik der beiden in Köln bereits verwendeten Hersteller fußte, grätschte das Vergabeamt dazwischen. »Die Vergaberichtlinien sehen vor, dass europaweit und herstellerneutral ausgeschrieben werden muss«, erklärt Ampelexpertin Susanne Rosenstein. Es dauerte — auch wegen der zwischenzeitlich neu gewählten Stadtspitze — bis ins letzte Jahr, ehe eine neue Ausschreibung erfolgte. »Wir stehen jetzt kurz vor der Beauftragung«, so Rosenstein Mitte Mai.

 

Bis der Rechner tatsächlich hilft, wird es aber dauern: »Wir rechnen mit einem Zeitraum von eineinhalb Jahren, bis er aufgebaut und voll funktionstüchtig sein wird«, sagt Rosenstein. Dann solle er das Qualitätsmanagement verbessern, schneller auf Störungen reagieren, mehr Ampelprogramme ausspielen und kostensparender arbeiten — wenn bis dahin die Ampelanlagen erneuert sind.

 

Der Verkehrsrechner wird eines der ersten großen Projekte, das Andrea Blome im neu geschaffenen Verkehrsdezernat zu verantworten hat. Blome hatte unlängst angekündigt, dem Verkehrsmanagement mehr Bedeutung beizumessen. Sie möchte dafür ein gleichnamiges Amt schaffen. Denn ein Verkehrsrechner allein, dafür reicht ein Blick auf die Straßen, wird das Kölner Ver­kehrschaos gewiss nicht beseitigen.

 

Ähnlich sieht es Christoph Schmidt vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Für ihn ist die Debatte um den Ampelcomputer ein neuerliches Beispiel dafür, dass eine Verkehrswende oft beschworen, aber selten gedacht wird: »Das Ampelsystem ist ausgelegt auf den KFZ-Verkehr, nicht aber auf Fahrradfahrer und Fußgänger.« Gleichberechtigter Verkehr scheitere nicht an einem Verkehrsrechner. »Die Stadt müsste vielmehr ihre Haltung überdenken«, sagt Schmidt.

 

Das gilt auch für die Landes-CDU mit ihren Wahlplakaten. Fahrräder nämlich haben gar keine Lenkräder, in die man vor Wut beiße könnte.