Zurück auf Los

Damit die Parkstadt Süd gebaut werden kann, muss der Großmarkt umziehen. Aber wohin?

Alles schien geklärt. Die Händler des Kölner Großmarkts in Raderthal ziehen bis 2020 nach Marsdorf, wo ein modernes Frischezentrum errichtet wird. Die Großmarkthalle wird saniert und für Kulturveranstaltungen genutzt, um das geplante Stadtquartier »Parkstadt Süd« zu beleben. Eine Mehrheit im Rat hatte sich dafür ausgesprochen.

 

Dann kam Mitte 2015 ein umstrittenes Gutachten der damaligen Wirtschaftsdezernentin Ute Berg (SPD), die das neue Frischezentrum als Public Private Partnership (PPP) betreiben wollte — der Rat war empört. Das Gutachten stammte von PPP-Lobbyisten. Es folgen Wahlkampf, Kommunalwahlen, OB-Wahl 2015, Köln bekam neue politische Mehrheiten. Die Grünen koalieren seitdem mit der CDU statt der SPD. Und die CDU will kein Frischezen­trum in Marsdorf. In Lindenthal befürchtet man mehr Verkehr, Lärm und Abgase — und Lindenthal ist eine CDU-Hochburg. Nach Protesten in Lindenthal stimmten SPD, CDU, Grüne und Linke im Stadtrat 2016 dafür, auch andere Standorte zu unter­suchen.

 

Heute ist nur klar, dass nichts klar ist. Alternativen zu Marsdorf sind nicht in Sicht. Im vergangenen September beauftragte der Rat die Verwaltung, weitere Standorte zu prüfen. Doch weder eine Kiesgrube in Hürth noch das Gelände neben einer Carbon-Fabrik in Brühl­ ­scheinen geeignet für ein Frische­zen­trum.

 

Plötzlich ist wieder der Kölner Norden im Gespräch, doch der Standort Volkhoven-Weiler wurde schon vor mehr als zehn Jahren verworfen. Die FDP hält dennoch daran fest. In den Bezirksvertretungen bringt man sich in Stellung: Niemand will ein Frischezentrum im eigenen Stadtbezirk.

 

Doch es geht um mehr als ein Frischezentrum: Durch die erfolglose Standortsuche verzögert sich auch die Parkstadt Süd — und damit die Anbindung des Inneren Grüngürtels an den Rhein und mehrere Tausend Wohnungen auf einer ­Fläche von 150 Fußballfeldern. »Die Umsetzung des Projekts ­Parkstadt Süd kann erst dann beginnen, wenn die Standortentscheidung getroffen wurde«, sagt Anne Luise Müller, Leiterin des Stadtplanungsamts. »Planrecht für alle Bereiche wird voraussichtlich 2023 vor­liegen.«

 

Ulrich Soénius, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln, nervt, dass in Köln so selten Fristen eingehalten werden. »Jetzt haben wir 2017, und 2020 soll der Umzug sein — das ist gar nicht zu schaffen, die Schließung 2020 wird es nicht geben«, sagt er. »Bis 2023 müsste verlängert werden, plus ein weiteres Jahr für jede Verzögerung, nur dann können die Händler planen.«

 

Die Händler sehen das ähnlich: »Wir brauchen mehr Planungs­sicherheit — und zwar über einen längeren Zeitraum«, sagt Michael Rieke, Sprecher der Interessensgemeinschaft Großmarkt. »Derzeit ist es ein Eiertanz. Jedem ist klar, so wie es mal angedacht war, kann es nicht mehr umgesetzt werden.« Dass der gesamte Markt in kaum mehr als zweieinhalb Jahren umgezogen sein wird, daran glaubt er nicht mehr. Weder nach Marsdorf noch sonst wohin. Von der Stadt, so Rieke, sei bislang aber niemand auf sie zugekommen. »Wir haben einen Anspruch darauf, Einblick in die Planungen zu bekommen. Wir sind schließlich mit unserer Existenz davon betroffen.«

 

Auch die Kommunikation zwischen den zuständigen Dezernaten in der Stadtverwaltung ist erschwert. Wirtschaftsdezernentin Ute Berg hat im März vorzeitig ihren Posten geräumt. Die Vakanz ist zumindest nicht von Vorteile für die Abstimmung mit dem Dezernat für Stadtentwicklung, Planen und Bauen, das wiederum zuständig für die Parkstadt Süd ist.

 

Trotz der Suche nach einem neuen Standort, werde es zu »keinen wesentlichen Verzögerungen« für die Parkstadt Süd kommen, sagt hingegen Niklas Kienitz (CDU). Die Parkstadt Süd könne mit Bauabschnitten im Norden begonnen werden, so der Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses. Gerade wenn man aber an Marsdorf festhielte, drohten Verzögerungen, weil mit Klagen zu rechnen sei. Die aber dürfte es auch bei jeder anderen Standortentscheidung geben.

 

Schon werden Stimmen laut, ob man überhaupt ein Frischezentrum benötige. Für Ulrich Soénius von der IHK ist das keine Frage: »Schließlich wollen doch alle Vielfalt in den Kölner Veedeln.« Lebensmitteldiscounter oder -Vollsortimenter, erklärt Soénius, haben ihre eigenen Logistikketten. »Den Großmarkt benötigen aber mein türkischer Gemüsehändler, die Betriebskantinen, gute Restaurants, die Hotels und der Einzelhändler um die Ecke, der da morgens hinfährt und seinen Kombi oder Van vollmacht.« Der Standort sei ihm längst egal, Hauptsache Autobahnanschluss.

 

Für den 22. Juni hat OB Henriette Reker im Wirtschaftsausschuss die Beschlussvorlage angekündigt, aufgrund derer der Rat dann entscheiden soll. Vieles spricht dafür, dass erneut Marsdorf empfohlen wird. Es wäre die nächste sinnlose Kapriole in dieser Posse.