Roger Waters

Eine Arena doppelt so groß wie die Kölnarena. Roger Waters schlurft durch die Katakomben und zeigt dem Reporter die nicht enden wollenden Massen an Ausrüstung für seine Konzerte. Sie gehen auf die Bühne, wo gerade die gigantische Lightshow aufgebaut wird. »Und Sie haben diese Halle mit 20.000 Sitzplätzen gemietet, nur um darin … zu proben?«, fragt der Reporter. Waters zuckt mit den Schultern: »Sicher.«

 

Waters rüstet sich für die anstehende Tour zu »Is This The Life We Really Want?«, seinem neuen Album. Sein Gigantismus ist legendär, aber diesmal geht es nicht um sein Ego. Waters ist auf einer Mission. Das ist er schon seit seiner Trennung von Pink Floyd, und häufig war sein Pathos zum Fremdschämen. Aber jetzt brauchen wir es dringend. »Is This The Life We Really Want?« ist ein starkes Album. Straff durchkomponiert, vibrierend vor Gefühlen, Geräuschen und Brecht’schen Verfremdungseffekten. Unversöhnt, mal zitternd vor Wut, aber häufig einfach nur traurig. Tief in seinen Gedärmen rumoren noch Waters’ Obsessionen: Eitelkeit, Sendungsbewusstsein und eine gebrochene, aber immer noch einschüchternde Virilität. Mit sich selbst gerät er schon vor dem Frühstück in ­Konflikt.

 

Mit seinen Obsessionen hat er viel Zeit verplempert, die Jahrzehnte vergingen. Aber dann kam Trump an die Macht, stimmten die Briten für den Brexit, brachen Kriege aus und mit ihnen der Hass auf Flüchtlinge, und Waters stellt tatsächlich mal sein Ego — höher als der Trump-Tower — ab. Er geht ins Studio, mit dem genialischen Radiohead-Produzenten Nigel Godrich an seiner Seite, und beendet binnen kürzester Zeit einen Songzyklus.

 

Ist das das Leben, das wir wirklich wollen? Die Frage ist nicht rhetorisch gemeint. Waters geht davon aus, dass wir im Westen wirklich glücklich und zufrieden sind, aber die Leute rundherum an diesem Glück zugrunde gehen. Es ist nicht für sie da. Waters kritisiert mit seinem Album nicht die Irrwege unseres Lifestyles — er attackiert ihn direkt. Mit friedhofserdiger, rissiger Stimme, was für eine Wucht. Eingeschmolzen ist sie in anmutige Pop-Songs, die so klingen, als hätte er sich endlich mit seiner Pink-Floyd-Vergangenheit versöhnt. Roger Waters wird dieses Jahr 74, er hat seit 25 Jahren kein neues Album mehr vorgelegt. Es ist spät geworden. Dieses Jahr wird es im Mainstream kein besseres geben.