Pokerface im Dienst der Liebe: Omar Souleyman

Lovebombing

Der syrische Hochzeitssänger und Liebling der westlichen Hipstergemeinde

Omar Souleyman ist ein unverbesserlicher Romantiker

Der Mann wirkt wie die Karikatur eines arabischen Hochzeitssängers. Ein buschiger Schnurrbart, eine Kufija auf dem Kopf und eine Pilotenbrille auf der Nase. Dazu ein Pokerface und genau drei Gesten, mit denen er sein Publikum dirigiert. Dieser lakonisch wie staatstragend eingesetzte Minimalismus findet seine Entsprechung in der Musik. Die nennt man Dabke, und Dabke bedeutet so viel wie »Mit-den-Füßen-auf-den-Boden-Stampfen«. Musik, zu der auf Hochzeiten in Reihe getanzt wird, Musik, wie sie im Nahen Osten überall zu hören ist.

 

Omar Souleymans Kunst ist also eigentlich nichts Ungewöhnliches. Dem komentenhaften Aufstieg des syrischen Hochzeitssängers in der westlichen Welt muss also nebst unserem steten Hunger nach exotischen, neuen Sounds etwas anderes zugrunde liegen. Vermutlich liegt ihm der Wunsch nach einem Gesicht zugrunde, das für das offene und doch authentische, moderne und zugleich traditionelle Syrien steht — jenseits von Krieg und Zerstörung. Der Syrienkrieg fand nämlich bislang bei Souleyman nicht statt. Seine Texte behandeln die typisch arabischen Seifenoper-Themen: Liebe, Leid und nochmals Liebe. So kann man sich bei Souleyman ein anderes Syrien erträumen, in dem es nicht um Blutvergießen, sondern um die universelle Sprache der Liebe geht.

 

Als Souleyman 2013 beim Nobel Peace Prize auftrat, war seine Botschaft ebenfalls: Liebe. Andererseits ist Souleyman niemand, der sich dem Westen anbiedert. Wenn er in Williamsburg oder auf dem Sonar-Festival spielt, unterscheidet sich seine Performance wenig von der auf einer syrischen Hochzeit. Die letztjährigen Stationen seiner musikalischen Karriere illustrieren eindrucksvoll den Stellenwert, den er im Westen als bislang einziger syrischer Popkünstler inne hat: Glastonbury, Montpellier, bereits genanntes Sonar und Electronic Beats sind nur einige Festivals, auf denen er frenetisch gefeiert wurde. Der Mann aus dem ländlichen Jazeera, der syrischen Region im äußersten Osten an der Grenze zu Irak und Türkei, ist seit Jahren der arabische Liebling der westlichen Hipstergemeinde.

 

Für den Westen entdeckt wurde Souleyman von dem Produzenten und Nahost-Reisenden Mark Gergis, der ihn 2006 an Sublime Frequencies vermittelte. Das in Seattle residierende Label der ehemaligen Köpfe der US-Avantgarde-Band Sun City Girls, Alan und Richard Bishop, kann man schon jetzt zu den führenden musikethnologischen Archiven des 20. und 21. Jahrhunderts zählen. Den Produzenten geht es um die globalisierte Popkultur, thailändischer Psychedelic Rock aus den 70ern wird genauso (wieder-)veröffentlicht und damit dem Westen zugänglich gemacht wie algerischer Underground-Rai. Die nur scheinbar festgeschriebene Popgeschichte wird neu aufgerollt, die Westzentrierung in Frage gestellt. Doch trotz den popkulturellen Erschütterungen, die Labels wie Sublime Frequencies mit ihren Veröffentlichung verursachen, ist man hier noch weit davon entfernt, den Horizont tatsächlich zu öffnen. Symptomatisch für den eher einem klassischen Exotismus folgenden Blick sind die westlichen Künstler, die bislang die Zusammenarbeit mit Souleyman gesucht haben: Maverickkünstlerin Björk und Edel-Elektroniker Four Tet etwa, beides selbst hochstilisierte Exoten im Musikgeschäft.

 

Für die Musik von Souleyman werden denn auch gern als Referenzen westliche Genres herangezogen, doch Techno, HipHop oder gar Disco sind nur hilflose Versuche, die Modernität seiner Musik greifbar zu machen. Man sollte es bei Dabke belassen. Musik, wie sie in arabischen Ländern wie Syrien, Jordanien und Libanon allgegenwärtig ist: elektrifizierte Traditionsmusik, die sich mittels des im Nahen Osten ubiquitären Synthesizers demokratisiert und popularisiert hat. Die Yamaha- und Korg-Keyboards ersetzen dabei das klassische Instrumentarium: die berühmte arabische Kurzhalslaute Oud, die Klarinetten-ähnliche Midschwiz oder die Tablah. Die Instrumente werden per Tastendruck eingespielt, die Keyboarder haben längst eine eigene Virtuosität entwickelt und improvisieren mit ihren Presets. Souleymans bisheriger Keyboarder Rizan Said gilt als ein solcher Virtuose, seine kreisenden Synthieläufe lassen tatsächlich Acidschrauben assoziieren und zersetzen nach kurzer Zeit zuverlässig die Hirnwindungen der Hörer.

 

Auf dem neuen Album hat sich nun einiges geändert: Said wurde durch den Produzenten Hasan Alo ersetzt, der verleiht dem Sound deutlichere Spuren westlicher Tanzmusik. Kein Wunder also, dass »To Syria, with love« auf Mad Decent, dem Label von Baile-Funk-Erfinder und M.I.A.-Entdecker Diplo, veröffentlicht wurde. Wie der Titel andeutet, findet nun seine Heimat und damit der Syrienkonflikt doch noch Eingang in seine Musik. Seit 2013 lebt Souleyman mit seiner Familie im türkischen Exil, seine Heimatregion Tell Tamer ist Kriegsgebiet. Gleich mehrere Stücke lassen zwischen den Zeilen den Schmerz des Exilanten durchscheinen, in einem Stück (»Chobi«) spricht er unmissverständlich von den »Wunden«, die allesamt nach seiner Heimat »rufen«.

 

Doch Souleyman bleibt seiner romantischen Linie unerschütterlich treu. Das Video zu dem Stück »Ya Bnayya« zeigt die Hochzeit seines ältesten Sohnes Maher, die Ende März dieses Jahres in der Türkei gefeiert wurde. Dazu gehört natürlich als Höhepunkt der Auftritt vom Vater. Mit Kippe in der Hand singt der Mann mit unbewegter Mine von der Liebe auf den ersten Blick. Manchmal huscht ihm ein Lächeln über die Mundwinkel. Das Leben geht weiter, doch die Sehnsucht bleibt.

 

 

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