Potenzielle Baustelle: Ecke des Rheinenergie-Stadions, Foto: Dörthe Boxberg

Auf der Suche nach der gegebenen Zeit

Bei der Diskussion um den Stadionausbau wird nicht mit offenen Karten gespielt

Manchmal muss man den viel gescholtenen Ultras des 1. FC Köln dankbar sein. Kaum jemand kann Widersprüche so gut auf den Punkt bringen: »Der Standort Müngersdorf ist für uns unverhandelbar«, erklärte der »Südkurve 1. FC Köln e.V.«, ein Zusammenschluss mehrerer Fanclubs. »Zu gegebener Zeit werden wir uns aber noch ausführlicher hierzu äußern.« Darüber reden wir zu gegebener Zeit — das hört man häufig, wenn von der Zukunft des 1. FC Köln im Müngersdorfer Rheinenergie-Stadion die Rede ist.

 

Der FC will sich erweitern. In der vergangenen Saison haben im Schnitt 49.500 Menschen die Heimspiele besucht — eine Auslastung von 99,1 Prozent. »Zehn bis 15 Millionen mehr Umsatz« erwartete FC-Präsident Werner Spinner im Frühjahr im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger — wenn die Kapazität des Stadions auf 75.000 Plätze erweitert würde. Zeitgleich gab der FC eine Studie in Auftrag: Das Architekturbüro Albert Speer sollte Standorte für einen Stadionneubau prüfen.

 

Verwaltung und Politik waren alarmiert. »Ein Stadion ist keine Drei-Zimmer-Wohnung in der Südstadt«, sagt Kirsten Jahn (Grüne). »Das kriegen sie nicht so einfach vermietet.« Die SPD befürchtete ein »Millionengrab«, wenn der FC seine bisherige Heimspielstätte verließe. OB Henriette Reker berief deshalb im Mai einen Runden Tisch aus Stadt Köln, FC und Kölner Sportstätten GmbH ein, die als Tochtergesellschaft der Stadt das Rheinenergie-Stadion betreibt. Man gab eine Studie in Auftrag, ob ein Stadionausbau von der Baustatik machbar wäre, und wie hoch die zusätzlichen Umwelt-, Lärm-, und Verkehrbelastungen sein würden. Durchgeführt wird sie ebenfalls vom Büro Speer.

 

Die Ergebnisse dieser Studie sollten Mitte Juli vorgestellt werden, bis Redaktionsschluss sind aber nur Zwischenergebnisse durchgesickert. Für einen Ausbau auf 75.000 Plätze müsste das Stadion verbreitert werden. Dafür müssten etwa die denkmalgeschützten Gebäude im Norden des Stadions, die »Abel-Bauten«, entfernt werden. Ein Ausbau auf 60.000 Plätze würde weniger Raum einnehmen, aber gelte als »unwirtschaftlich« für den FC.

 

»Wir sind ergebnisoffen, was diese Studie angeht«, kommentiert ein FC-Sprecher. Müngersdorf sei »ein besonderer Standort«, aber die Geschäftsführung müsse die »richtige Entscheidung« für die Zukunft des Vereins treffen. Unverbindlicher geht es kaum.

 

In der Politik, die über die Umbaupläne abstimmen muss, ist die Präferenz eindeutig. »Müngersdorf ist ein Traditionsstandort«, sagt Kirsten Jahn. Sie erinnert daran, dass der FC mit der Nähe zum Rheinenergie-Stadion argumentierte, als es um den Ausbau des Trainingsgeländes im Grüngürtel ging. Auch Martin Börschel (SPD) würde den FC am liebsten »am Traditionsstandort« sehen. Niklas Kienitz (CDU) hält eine kleine Variante beim Ausbau in Müngersdorf für realisierbar. Ein Zusammenschluss mehrerer Bürgerinitiativen hat den Ausbau aber kritisiert: Schon jetzt sei die Lärm- und Verkehrsbelastung zu hoch.

 

Das Verhältnis des FC zur Kölner Politik gilt als angespannt, da sowohl OB Reker als auch die Grünen und die Linke die Ausbaupläne des Vereins im Grüngürtel kritisiert haben. Sollte sich der FC für einen anderen Standort entscheiden, droht jedoch ein Konflikt mit einem Großteil der Parteien. Ein neues Stadion würde einen Anschluss ans Straßennetz und die KVB benötigen. Beim Bau der Allianz-Arena durch den FC Bayern etwa übernahm die Stadt München die Kosten von mehr als 100 Mio. Euro für die Verkehrsanbindung. In Köln sind dazu weder CDU, SPD, Grüne noch Linke bereit. »Es wäre absurd, eventuell einen dreistelligen Millionenbetrag dafür auszugeben, wenn es ein beliebtes Stadion gibt«, sagt CDU-Politiker Kienitz.

 

Realistischer als ein Neubau ist daher, dass der FC versuchen wird, das Müngersdorfer Stadion zu kaufen, wenn der Mietvertrag 2024 ausläuft. Dem Verein ist die Miete von rund 8 Mio. Euro zu hoch, obwohl er durch die Rechte am Stadionnamen zusätzliche Sponsorengelder erhält. Schon 2011 hatte der FC versucht, das Stadion zu kaufen, konnte aber die geforderte Kaufsumme des damaligen Buchwerts von 120 Mio. Euro nicht aufbringen. In der Politik kann man sich einen Verkauf vorstellen. »Ein Stadion ist nicht Teil der städtischen Daseinsvorsorge«, sagen Michael Weisenstein (Linke) und Kirsten Jahn von den Grünen unisono. Beide betonen aber, dass die Stadt dabei kein schlechtes Geschäft machen dürfte. Im vergangenen Jahr musste die Kölner Sportstätten GmbH als Stadionbetreiber von der Stadt mit 3,8 Mio. Euro bezuschusst werden.

 

Die Stadt darf das Stadion nach EU-Bestimmungen nicht unter Buchwert, also dem Wert nach Abzug aller Abschreibungen, verkaufen, weil sie sonst ein Privatunternehmen bevorzugen würde. Nur ist bislang unbekannt, wie hoch dieser Wert im Jahr 2024 sein wird. Eine entsprechende Anfrage der SPD blieb ohne Antwort der Verwaltung. Niklas Kienitz von der CDU schätzt den Wert auf um die 50 Mio. Euro. Beim Verkauf des Stadions zeichnet sich der nächste Konflikt ab. Wie genau die Frontlinien dabei aussehen, sieht man dann zu gegebener Zeit.