Auf der Suche nach dem Kölschen Grime

Desmond Denker produziert formstrenge Musik ohne Beats und mit großen Flächen

Desmond Denker, bürgerlich Tycho Schottelius, ist nicht im Londoner Eastend, sondern im Kölner Agnesviertel beheimatet. Das muss man vorneweg erwähnen, da die Musik, die seine Passion ist, klar der britischen Insel zuzuordnen ist. Grime, als Gebräu aus Jungle, Drum’n’Bass und Dub, Anfang der Nuller Jahre in den heruntergekommenen Vierteln des Londoner Ostens entstanden, feierte nie den großen Durchbruch in Deutschland. In London ist Grime bis heute Ausdruck eines sozialen Daseins als Subalterner, eines Abgehängtseins.

 

Wie kommt es also zu Denkers musikalischer Auseinandersetzung? Angefangen hat es mit der Bam Bam Babylon Bajasch, einem Zusammenschluss Kölner Produzenten und MCs, der eine »kölsche« Variante der Spielarten von Bassmusik produzierte. »Es ging uns darum, unseren eigenen Stil zu kreieren. Also Teil einer Global Bass-Szene zu sein, wo es einen Formen-Katalog gibt und jeder seine eigenen Ausformungen mit einbringt«, erklärt Denker im Gespräch und weist darauf hin, dass das auch der Antrieb für seine Platte »MDF03« auf dem Köln-Mülheimer Label Modularfield war. »Grime lebt sehr von seiner Form. Es gibt eine vorgegebene Geschwindigkeit rund um die 140 Schläge pro Minute, dazu ganz klar abgesteckte Sounds und Beats.« 

 

Innerhalb dieses Korsetts hat er sich für diese Platte ganz breitgemacht und gleichzeitig abgespeckt. Die Beats und auch der Rapper fehlen gänzlich. So entsteht ein entrückter Future-Soundtrack zwischen Beeps und Flächen. Musik, die man eher von einem Produzenten wie Hudson Mohawke erwartet. Gleichzeitig näherte Denker sich auch (ur-)deutschen Popformen an. »MDF03« fühlt sich im Plattenregal nämlich genauso gut zwischen Alben von Kraftwerk und anderen Krautrockern an. Diese Weiterführung des Electronica-Erbes ist in Denkers Musik sofort zu spüren: Die Tracks tragen im Stile von Cluster und Conrad Schnitzler einfache deutsche Titel wie »auf der Hut« oder »über den Dingen«. Man müsse halt eine deutsche Übersetzung suchen, da man, so Denker, von hier, also Köln, aus die politischen Aspekte einer Musik »die aus dem Suburbs kommt« gar nicht darstellen könne. 

 

Verdammt viel, was man sich im Agnesviertel aufgelastet hat. Doch »MDF03« ist trotz, oder gerade wegen, seiner Nischenhaftigkeit ein ganz bezauberndes Werk geworden, in das man reinhören sollte, bevor alle Platten (und Kassetten!) schon wieder ausverkauft sind. Die Auflage ist klein.

 

 

Tonträger: Desmond Denker, »MDF03«, ist erschienen auf modularfield.com (Rough Trade)