Nachbarsgarten oder urban gegärtnert? Äpfel in Köln, Foto: Dörthe Boxberg

Wie verträglich ist essbar?

Köln will »Essbare Stadt« werden. Darüber, wo künftig Obst und Gemüse

wachsen, ist eine Debatte entbrannt

 

Die 30.000-Einwohner-Stadt Andernach in Rheinland-Pfalz war nicht bundesweit bekannt. Dann wurde Andernach 2010 zur »Essbaren Stadt«. Seitdem wachsen dort nicht nur Gemüse und Obst auf öffentlichem Grün — auch möchten viele Städte ein bisschen so sein wie Andernach. Köln ist eine davon.

 

Vor mehr als drei Jahren hatte die Grünen-Fraktion in der Bezirksvertretung Ehrenfeld einen Antrag zur »Aufwertung öffentlicher Flächen durch Nutzpflanzen« gestellt. Seitdem zirkuliert die Idee der »Essbaren Stadt« in der Kölner Politik. Acht von neun Stadtbezirken zogen mit, nur die Bezirksvertrung Nippes fand, dass die Bezirke zu wenig Mitsprache bei der Umsetzung hätten — und lehnte ab. Nichtsdestotrotz beschloss der Rat im letzten Frühjahr ein gesamtstädtisches Konzept der Essbaren Stadt.

 

Die Frage, wie das aussehen könnte, lockte Ende Juli 80 Menschen in die Alte Feuerwache. Eingeladen hatten nicht die Stadt, sondern der Ernährungrat und der Verein Agora Köln. Das ist Teil des Konzepts: Die Verwaltung soll »aktiv auf interessierte Bürgerini-tiativen zugehen« und »deren Interessen bündeln«. Die Stadt profitiert von deren Strukturen und Expertise — und kann gleich das Interesse der Bürger erkunden. Ohne die würde jeder städtische Garten ohnehin schnell vertrocknen.

 

»Uns hilft die Zusammenarbeit enorm«, sagt Joachim Bauer, stellvertretender Leiter des Grün-flächen-amts, das den Prozess begleiten soll. Geld dafür ist da: Im November 2016 wurde das Bund-Länder-Programm »Zukunft Stadtgrün« verabschiedet. Ab 2018 werden jährlich knapp 50 Millionen Euro für die »Verbesserung der urbanen grünen Infrastruktur« vergeben, darunter fällt auch Urban Gardening.

 

Die Begeisterung des Grünflächenamts ist neu. Die Millionenstadt Köln könne man nicht mit dem Dorf Andernach vergleichen, hieß es, als die Essbare Stadt 2015 erstmals diskutiert wurde. Das hiesige Grün habe schon genug Aufgaben, und es sei auch ziemlich dreckig. Mittlerweile sagt Bauer: »Es geht darum, zu klären, was Essbare Stadt hier bedeuten kann.«

 

In der Alten Feuerwache gaben die Veranstalter eine Arbeitsdefinition: Ess-bare Stadt meine die »Erzeugung von Lebensmitteln für, von und mit Menschen in und aus der Stadt und dem städtischen Umfeld«. Auch Ernährungsrat und Agora möchten Interessierte anleiten, anstatt Vorgaben zu machen: »Wir schaffen den Rahmen«, sagt Martin Herrndorf von Agora. In den kommenden Monaten wird ein Aktionsplan erstellt. Dafür hat man das Themenfeld aufgeteilt: Sieben Arbeitsgruppen beschäftigen sich etwa mit dem Gärtnern in Bildungseinrichtungen, Firmen, Gemein-schaftsgärten oder auf privatem Grund. »Mit vielen dieser Bereiche werden wir gar nichts zu tun haben«, sagt Joachim Bauer. Eine Pfanzstelle im Stadt-revue-Innenhof etwa fällt nicht unter die Verantwortung des Grünflächenamts.

 

»Eine der Kernfragen ist: Was darf auf öffentlichen Grünflächen passieren?«, sagt Agora-Vertreter Herrndorf. Nichts, sagt der Umweltausschuss, Öffentliche Grünflächen dienen der Ästhetik und Erholung, »privater Gartenbau ist dort nicht zu gestatten«. Herrndorf widerspricht: »Wir möchten von einem Do-it-yourself zu einem Do-it-together kommen. Gärtnern muss nichts Privates sein. Das ist sogar sehr belebend.« Er kann sich vorstellen, Nutzpflanzen am Rand von Grünflächen anzubauen. Es gehe darum, das Gärtnern in den städtischen Alltag zu holen. »Es stärkt die Ernährungssouveränität, wenn viele Menschen wissen, wie viel Aufwand es ist, eine Möhre zu ziehen«, sagt Herrndorf.

 

Köln ist zwar nicht Andernach. Aber Köln könnte ein bisschen mehr Andernach vertragen. Wie viel, das wird in den nächsten Monaten verhandelt.