Noch stimmt die Mischung: Güterbahnhof Ehrenfeld, Foto: Manfred Wegener

Ehrenfelder Mischmasch

Auf dem Gelände des Ehrenfelder Güterbahnhofs entsteht ein neues Quartier. Der Kulturverein Jack in the Box sieht sich bei der Planung übergangen

 

»Ehrenfelder Mischung« — das klingt nach Bio-Kaffee oder Vitalbrot. Dabei geht es für nicht wenige um die Zukunft des ganzen Stadtteils. »Wir kämpfen für den Kulturstandort Ehrenfeld und für das Viertel«, sagt Martin Schmittseifer. Er ist der Vorstand von Jack in the Box. Der Verein ist mit sozialen und kulturellen Angeboten, aber auch mit kommerziellen Veranstaltungen zu einer Zutat dieser Ehrenfelder Mischung aus Wohnen, Gewerbe und Popkultur geworden. »Wir haben diesem Ort seine Identität gegeben«, sagt Schmittseifer über den Ehrenfelder Güterbahnhof, die langjährige Heimat von Jack in the Box.

 

Diese Identität wird sich bald ändern. Eigentümer des 70.000 Quadratmeter großen Areals ist die Aurelis Real Estate, sie wird dort das »Ehrenveedel« errichten. Der Kölner Stadtrat hatte in der letzten Sitzung vor der Sommerpause Planungsrecht erteilt. 450 Wohnungen, davon 20 Prozent Sozialwohnungen, werden in dem Quartier entstehen, und kaum etwas braucht die Stadt dringender als Wohnraum. 

 

Jack in the Box hat das Gelände bereits verlassen. Ende 2016 ist man nach Bayenthal gezogen; jedoch mit der Intention, wieder zurückzukehren. Aurelis bekam von der Politik den Auftrag, »dass im Bereich der Ostspitze des Güterbahnhofgeländes im Rahmen der Umsetzung möglichst kulturwirtschaftliche und soziokulturelle Nutzungen zu berücksichtigen sind«. Das genannte Teilstück mit Zugang an der Helmholtzstraße hat eine Fläche von 12.000 Quadratmetern, auch eine alte Güterhalle befindet sich dort. Für Jack in the Box klang das wie maßgeschneidert. »Wir haben mit Aurelis über Monate Gespräche auf Augenhöhe geführt«, sagt Martin Schmittseifer. Zu Jahresbeginn stellte man ein grobes Konzept für eine Nutzung vor, auch sei Aurelis sehr wohlwollend gewesen, als zwischenzeitlich die Mietzahlungen ausblieben. Das bestätigen beide Seiten.

 

»Wir hatten eine Zusage für Planungsgespräche, wenn die politischen Beschlüsse vorliegen«, sagt Schmittseifer. In dem Gespräch am 21. Juli habe Aurelis aber nur mitgeteilt, dass es keine verbindlichen Versprechen gebe. Jack in the Box könne sich auf Teilflächen bewerben, von wenigen hundert Quadratmetern sei die Rede gewesen. Darüber war auch die Politik verärgert. »Unser Ziel ist klar. Wir möchten gemischte Quartiere — und am Güterbahnhof ist Jack in the Box ein Teil davon«, sagt Niklas Kienitz (CDU), der Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses. Über eine mögliche Zusage an Jack in the Box sagt er: »Wir haben nichts schriftlich.«

 

Am Steuer sitzt nun Investor Aurelis. Die Firma möchte die Gespräche nicht abbrechen — aber nach ihren Regeln führen. »Es ist zunächst Aufgabe von Jack in the Box, ein Konzept vorzulegen, das die Vorgaben des Bebauungsplans berücksichtigt, und den Flächenbedarf anzumelden«, sagt Aurelis-Pressesprecher Dirk Dratsdrummer. Auch kulturelle Konzepte müssten eine tragfähige Basis besitzen. Zudem seien »ein hohes Verkehrsaufkommen und Lärmerzeugung« unvereinbar mit der Wohnnutzung. Am 7. September wird Aurelis den ersten Spatenstich am Güterbahnhof vornehmen.

 

Ein erstes Gespräch zwischen Aurelis und Jack in the Box fand Ende August statt. Der Verein könne sich vorstellen, das Gelände selbst zu kaufen. Schmittseifer denkt an ein Modell wie den weitgehend genossenschaftlich-finanzierten Holzmarkt in Berlin. Eine andere Idee sei, mit Aurelis zusammen zu arbeiten. »Wir haben durchgerechnete Konzepte für eine Mischnutzung«, sagt Schmittseifer, und zusätzlich »eine besondere Form der Bewerbung«. Denn wer die Geschichte vom Aufbäumen der Kultur gegen das Kapital mit Verve erzählt, erfährt große Resonanz. Der öffentliche Zuspruch für Jack in the Box ist gewaltig. 200.000 Menschen haben laut Schmittseifer einen Facebook-Post zum Thema gesehen, Tausende darauf reagiert. Sie eint die Sorge, dass die Ehrenfelder Mischung zu stark gepanscht werden könnte.