Ein Gesicht am Ende der Leitung: Dorit Felsch, Foto: Manfred Wegener

»Viele Gespräche finden keine Lösung«

Die Kölner Telefonseelsorge sucht Ehrenamtliche. Warum rufen so viele Menschen dort an? Ein Telefonat mit Dorit Felsch von der Evangelischen Kirche

Heutzutage gibt es Gruppenchats für Essgestörte, Trauerbegleitung per Skype und Online-Therapien bei Depressionen. Wer ruft da noch bei der Telefonseelsorge an?

 

Oh, sehr viele sogar. Deutschlandweit kommen pro Jahr knapp zwei Millionen Anrufe durch. Abgesehen davon bieten wir schon seit 20 Jahren auch Mail- und Chatseelsorge an, das fällt manchen leichter, weil sie es als noch anonymer empfinden. Aber das Bedürfnis, eine Stimme zu hören, ist weiterhin groß. Deshalb suchen wir gerade auch wieder nach Ehrenamtlichen.

 

Haben die Menschen andere Probleme als früher?

 

Nach wie vor melden sich viele Anrufer, wenn sie einen Angehörigen verloren haben. Oder wegen Problemen in der Partnerschaft. Was steigt, ist die Zahl der Anrufe von psychisch Erkrankten, die sich in ihrem Umfeld isoliert fühlen. Einsamkeit ist generell ein enormes, stark zunehmendes Problem. Außerdem rufen immer öfter Menschen an, die verschuldet sind oder Existenzängste haben. 

 

Die Telefonseelsorge gibt es seit 60 Jahren. Was gab damals den Anstoß dazu?

 

Das Gründungsmotiv war Suizidprävention. Die erste Nummer wurde vor 60 Jahren in Berlin geschaltet; das wurde damals groß in der Zeitung inseriert, begleitet von dem Satz: »Bevor Sie sich umbringen, rufen Sie uns an!« Auch heute rufen Menschen an, die Suizidgedanken haben. Am Telefon versuchen wir, mit ihnen zusammen einen Halt zu finden.

 

Müssten da nicht Profis am anderen Ende der Leitung sitzen?

 

Im Gegensatz zu Ärzten und Therapeuten sind wir rund um die Uhr verfügbar. Unsere Ehrenamtlichen werden vor ihrem Einsatz ein Jahr lang geschult und erhalten kontinuierlich Supervision. Man braucht Lebenserfahrung — das Mindestalter liegt bei 26 Jahren — und man muss zeigen, dass man sich und seine eigenen wunden Punkte kennt. Die Arbeit kann belastend sein, sie besteht ja nicht darin, Ratschläge zu erteilen. Es geht eher darum, das Problem gemeinsam auszuhalten. Viele Gespräche finden keine Lösung.

 

Werde ich eigentlich unterschiedlich beraten, je nachdem, ob ich die evangelische oder katholische Telefonseelsorge anrufe?

 

Das würde mich wundern. Wir alle wenden Grundlagen der Gesprächsführung an, die auf Methoden der Beratung und der Psychotherapie basieren. Die katholische Telefonseelsorge setzt bei ihren Ehrenamtlichen die Mitgliedschaft in der Kirche voraus; wir tun das nicht. Jedoch sollten unsere Mitarbeiter, ob mit oder ohne Konfession, wissen, wo sie beim Glauben stehen. Es kann nämlich passieren, dass ein Anrufer die Frage stellt: Wie konnte Gott das zulassen? Oder dass er um ein gemeinsames Gebet bittet. Man muss das nicht mitsprechen, aber man sollte damit umgehen können. 

 

Die Seelsorge ist rund um die Uhr unter 0800 / 111 01 11 (evangelisch) oder 0800 / 111 02 22 (katholisch) erreichbar. In den Anfang September und Anfang Oktober beginnenden Ausbildungskursen der beiden Telefonseel-sorgestellen sind noch Plätze frei.

 

www.ev-telefonseelsorge-koeln.de

 

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