Ein fliegender Teppich

Mit KölnSkulptur #9 feiert der Kölner Skulpturenpark ein Jubiläum. Kuratorin Chus Martínez spricht im Interview über Bronzenüsse, Ironie und Aladins Wunderlampe

Sehr literarisch wird es bei Köln Skulptur#9 zugehen. »La Fin de Babylone«, diesen so anspielungsreichen wie mythischen Titel der Geschichten von Guillaume Apollinaire gab die spanische Kuratorin Chus Martínez der Ausstellung. Dem schließt sich im Untertitel ein schlichtes »Mich wundert, dass ich so fröhlich bin« an, so hieß ein 1949 erschienener Roman des deutschen Bestsellerautors Johannes Mario Simmel. Drittens verspricht der 1997 gegründete Skulpturenpark in seiner Jubiläumsausgabe Abenteuer mit Aladins Wunderlampe — unter diesem Motto erwarten den Besucher meist gegenständliche Arbeiten von neun Künstlerinnen und Künstler. Drei Ausstellungstitel? Eine hochrenommierte Kuratorin, die uns orientalische Abenteuer verspricht? Das wollten wir genauer wissen.

 

Frau Martínez, Sie haben für ganz unterschiedliche Institutionen und Projekte gearbeitet, vom Kunstverein über Museen und die documenta bis zu freien Ausstellungsprojekten. Was hat Sie an der kuratorischen Arbeit für den Kölner Skulpturenpark gereizt?

 

Es ist mein erstes Projekt, das sich konsequent im öffentlichen Raum abspielt. Mich beschäftigt seit längerem die sich wandelnde Struktur von Öffentlichkeit. Dies hat sich längst schon auf Museen ausgewirkt, die ja nicht mehr nur in ihren White Cubes bleiben können. Es betrifft die Kunstwelt generell. Ein Grund liegt in der wachsenden Bedrohung des öffentlichen Raums durch Terrorismus, vor allem aber auch in der Omnipräsenz des Internets. Künstlerinnen und Künstler setzen sich damit auseinander. Für mich ist die KölnSkulptur außerdem besonders reizvoll, weil es sich bei dessen neunter Ausgabe um das zwanzigjährige Bestehen des Parks handelt.

 

Die Ausstellung trägt gleich drei Titel...

 

Der nach Apollinaires Geschichten benannte Obertitel »La Fin de Babylone« verweist auf den Ursprung der Zivilisation. Dieser liegt bekanntlich im Orient. Schon als Studentin interessierte mich Orientalistik, ob in Tübingen oder später in New York. Es gibt da eine interessante Parallele zwischen Babylon und Köln: Babylon hat Flüsse in seiner Nähe und Köln — insbesondere der Skulpturenpark — liegt direkt am Rhein. Der Park wird sozusagen zum Fliegenden Teppich aus Tausendundeiner Nacht!

 

Der Untertitel »Mich wundert, dass ich so fröhlich bin« relativiert in seiner heiteren Banalität den schwermütig-mythologischen Obertitel.

 

Das ist Ironie. Ich will auf den Humor verweisen, den ich an Deutschen immer wieder schätze. Es ist der Titel eines Bestsellers von Johannes Mario Simmel und steht für die Überraschung darüber, dass es jemandem bei all den schlechten Nachrichten aus der Welt immer noch gut gehen kann. Den Deutschen und den Kölnern geht es im Schnitt gar nicht so schlecht — oder?

 

Das müssten wir sie einzeln fragen, interessant — aber zum dritten Aspekt: Den gedankliche Rahmen bildet Tausendundeine Nacht, warum?

 

Auf Aladin und die orientalischen Märchenwelt beziehe ich mich, weil die Erzählungen sehr früh für die westliche Welt übersetzt wurden und bedeutsam waren. Vor allem verbinde ich sie mit der Idee des Sich-Versammelns und der ältesten Form des Erzählens, was durch die Neuen Medien verdrängt wird.

 

Die Magie von Aladins Wunderlampe will ein Mittel dagegen sein?

 

Damit kann ich mir Wünsche erfüllen, wenn ich an der Lampe reibe, so steht es ja im Märchen. Doch wird mir schon im Moment des Wünschens klar, dass mir was fehlen muss, weil ich mir etwas gewünscht habe. Aladin wurde übrigens in Tausendundeine Nacht reicher und reicher, damit aber keineswegs glücklicher! Der Geist, der all das bewirkt, ist Mensch und Lampe zugleich. Beim Rundgang durch den Park bringt also jeder so seine Wünsche an die Kunst mit, und dort treffen sie auf die der anderen: die der jetzt eingeladenen Künstler sowie derjenigen aus den Vorgängerausgaben von Köln-Skulptur.

 

Was erwartet uns im Einzelnen beim neuen Rundgang?

 

Beispielsweise die Schale für Vögel oder Pflanzen, die hier nicht heimisch sind. Eine andere Arbeit bezieht sich auf Bäume im Hochgebirge, die Rücksäcke mit einer Flasche Schnaps tragen, um erschöpfte Wanderer zum gemeinsamen Genuss einzuladen. Neunzig Bronze-Walnüsse lassen sich überall im Park finden, außerdem gibt es Tiere zu sehen und einen großen und sehr speziellen Stein aus dem Rhein — ich möchte vorab nicht schon alles verraten.

 

Der an der Zoobrücke gelegene Park ist zeitweise von heftigem Verkehr umspült. Zerstört das nicht die Magie der orientalischen Abenteuer?

 

Ich denke, der Besucher nimmt diese Umstände war. Er vergisst sie aber sofort, wenn er sich auf die Kunst im Park eingelassen hat, wirklich eingelassen hat.