Plakativer Aktivismus: »120 BPM«

Persönlich und politisch

Das LGBT-Filmfestival Homochrom überzeugt mit einem starken Jahrgang

Das Köln-Dortmunder Homochrom-Filmfestival geht ins verflixte siebte Jahr; Sorgen muss man sich bei dem Programm aber keine machen. Gleich zur Eröffnung wird eines der Highlights des Queer Cinema des Jahres gezeigt: das Drama »120 BPM« über die Aids-Aktivisten von Act Up im Paris Anfang der 90er Jahre. Regisseur und Ko-Drehbuchautor Robin Campillo verbindet das Persönliche und das Politische, die Solidarität und die Wut und erzählt eine mitreißende Geschichtsstunde schwuler Selbstbehauptung angesichts der Epidemie und homophober Ignoranz von Politik, Medien und Kirchen. Campillo war selbst ab 1992 bei Act Up aktiv und feiert in seinem dritten Spielfilm den kreativen Widerstand und radikalen Protest der Gruppe, die mit ihren Straßenaktionen, bei denen Hunderte ihr Sterben inszenierten, für mehr öffentliches Bewusstsein sorgten.

 

Kontrovers diskutiert werden dürfte der Dokumentarfilm »PrEP&ME« über Teilnehmer einer holländischen Studie zum HIV-Vorsorgemedikament PrEP. Ist es das neue Wundermittel im Kampf gegen Aids oder bloß Partydroge für schwule Hedonisten, die Sex mit Kondomen doof finden? Einige Länder wie Großbritannien haben die Pille inzwischen zugelassen, anderswo versorgen sich viele bei monatlichen Kosten von 800 Euro für das Originalmedikament lieber mit günstigen Generika aus dem Internet. Der Film lässt Befürworter wie Kritiker zu Wort kommen. Im Anschluss wird es eine Podiumsdiskussion geben, bei der die Kölner Aidshilfe über den Stand in Deutschland informiert.

 

Der Titel des Festivals ist enger gefasst als dessen Programm, das Spektrum beinhaltet weit mehr Genderfacetten als nur »homo«. Für alternative Familienmodelle etwa plädiert der japanische Spielfilm »Close-Knit« über eine Elfjährige, die, von der Mutter vernachlässigt, Zuflucht bei ihrem Onkel und dessen Trans*-Freundin findet. Eine warmherzige Dramödie voll kleiner liebevoller Details, erfrischend wenig problematisierend und sensibel inszeniert. Die charmante Musicalkomödie »Thirsty« setzt Dragqueen und Cher-Imitator Thirsty Burlington ein turbulentes filmisches Denkmal. »Woman On Fire« porträtiert New Yorks einzige Trans*Feuerwehrfrau, und »HOMØE — Auf der Suche nach Geborgenheit« begleitet drei LGBT-Flüchtlinge auf ihrem Weg in ein neues Leben.

 

Die wahren Ursprünge der queeren Punkbewegung erkundet der Dokumentarfilm »Queercore«. Er stellt die Frage, die auch die Szene entzweit: Wollen wir in der Mitte der Gesellschaft ankommen, inklusive »Ehe für Alle«, oder macht uns gerade aus, anders zu sein als der Mainstream?