Sehen gesünder aus, als sie sind: Stadtbäume in der Innenstadt, Foto: Dörthe Boxberg

Achtung, Baum fehlt!

Die Luft ist schlecht, der Boden verdichtet, das Wetter extrem. Nie hat Köln dringender Bäume gebraucht. Ihr Bestand aber ist bedroht

 

»Der ist nicht glücklich«, sagt Monika Bugdahn. Die Biologin steht neben einem Judasbaum im Clouth-Quartier in Nippes. Der Jungbaum wirkt so trist wie das Wohngebiet um ihn herum. Bugdahn arbeitet als Gärtnerin im Kölner Zoo, und sie leitet Exkursionen der VHS, in denen sie die Natur erklärt. An diesem Augustsamstag sind es Bäume im Kölner Norden. »Das ist ein Test«, glaubt Bugdahn. In Köln hat sie Judasbäume bisher nicht als Straßenbäume gesehen. »Im Prinzip aber eine gute Wahl.«

 

Für Menschen werden Stadtbäume stetig bedeutsamer. Sie binden Kohlenstoffdioxid, das Köln seine Schadstoffbilanz ruiniert und seine Bewohner krank macht. Sie speichern Wasser, für das Sickerflächen fehlen. Sie verbessern das lokale Klima. Auch prägen sie das Stadtbild. »Bäume haben in der Stadt immer eine Funktion«, erklärt Bugdahn. Je wichtiger sie allerdings für die Menschen in der Stadt werden, desto schwerer wird es Bäumen gemacht, selbst dort zu leben.

 

»Bäume sind ein gesellschaftlich aufgeladenes Thema«, sagt Joachim Bauer. Er ist stellvertretender Leiter des Grünflächenamts, zudem steht er dem Arbeitskreis Stadtbäume der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz vor. Sein Amt und die Untere Naturschutzbehörde, die Fällungen und Rückschnitte umsetzt, stünden unter Beobachtung. Erst recht gelte das für groß angelegte Maßnahmen. Als die Stadt 2016 an der Bonner Straße 250 Linden für den Bau der Nord-Süd-Bahn abholzen wollte, sorgte das für eine aufgeregte Debatte. Sie endete vor Gericht. Im Herbst werden die Bäume wohl fallen. »Als Stadt ist es auch unsere Aufgabe zu informieren«, sagt Bauer. Nur, die Nachrichten fallen oft schlecht aus.

 

Im Jahr 2016 wurden in Köln 363 Bäume gefällt, nur für ein Drittel gab es Ersatzpflanzungen, oftmals nicht in der Nähe des früheren Standorts. Die Stadt möchte den Gesamtbestand konstant halten. Vor allem Neubaugebiete, wie zuletzt Widdersdorf-Süd oder Sürther Feld, zahlen mit Neupflanzungen positiv in die Baumbilanz ein. 81.552 Bäume gibt es Stand Juni dieses Jahres in Köln, die meisten in den Bezirken Lindenthal und Innenstadt. Das sind 5000 Bäume mehr als vor zehn Jahren. Perspektivisch aber wird der Baumbestand zurückgehen. »Die Stadt muss unterschiedliche Interessen miteinander vereinbaren — und wir sind zweitrangig«, sagt Joachim Bauer.

 

In Deutschland gilt der Grundsatz »Baurecht vor Baumrecht«. Wenn in Köln Platz zum Wohnen oder für den Verkehr benötigt wird, fallen fast unweigerlich Bäume. Wo es noch Potenziale gibt, erkundet das Grünflächenamt derzeit Stadtteil für Stadtteil. Das Ergebnis? Ernüchternd. In Nippes wurden 230 mögliche Standorte ermittelt — keine 20 blieben übrig, nachdem oberirdische Nutzung, wie die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit, oder unterirdische Leitungspläne geprüft wurden.

 

Ein geeigneter Lebensraum . Das Klima wird heißer und trockener, die Luft dreckiger, die Wurzeln werden angegriffen von Streusalz oder Urin. In etlichen Städten laufen Versuchsreihen, welche Arten diesen Strapazen noch standhalten. Bäume haben in der Stadt nur die Hälfte ihrer eigentlichen Lebenserwartung, stehen sie an Straßen, ist es gar nur ein Viertel, erklärt Baumexpertin Monika Bugdahn. Sie seien nicht für das Leben in der Stadt geschaffen. »Aber vielleicht gilt das ja auch für den Menschen.«