Mehr, schnell und bezahlbar: Köln sucht einen Weg aus der Wohnungsmisere, Foto: Dörthe Boxberg

Von 385 auf 1200!

Die Stadt soll die GAG beim Wohnungsbau stärker unterstützen, fordern SPD und Linke

Wohnen ist wie Atmen — man bemerkt es erst, wenn es zum Problem wird. Derzeit wird es für immer mehr Menschen zum Problem. Die Diagnose lautet: zu wenig Sozialwohnungen, Gentrifizierung, Spaltung der Städte in Arm und Reich. Im Mai schlug der Deutsche Mieterbund (DMB) Alarm: Jedes Jahr müssten 140.000 neue Wohnungen gebaut werden, darunter 80.000 Sozialwohnungen. Dafür aber müsste der Bund seine Finanzmittel verdoppeln.

 

Alle bisherigen Bestrebungen, die Wohnungsnot zu lindern, sind gescheitert. Prominentes Beispiel ist die Mitte 2015 installierte Mietpreisbremse, die nicht funktioniert. Nun hat das Berliner Landgericht sie gar als verfassungswidrig eingestuft. Selbst wenn das zunächst ohne Folgen bleibt, weil darüber nur das Bundesverfassungsgericht befinden darf — Wohnungsnot und steigende Mieten spalten mittlerweile ganze Städte in arme und reiche Viertel, auch Köln.

 

Zwar hat der Rat der Stadt mit breiter Mehrheit 2014 ein »Stadtentwicklungskonzept Wohnen« verabschiedet, doch Erfolge stellen sich nach drei Jahre kaum ein.

 

Ein wichtiges Instrument des StEK Wohnen sollte das »Kooperative Baulandmodell« sein: Es verpflichtet Investoren dazu, mindestens 30 Prozent Sozialwohnungen zu errichten. Doch die konnten bislang Schlupflöcher nutzen und die Auflagen umgehen, etwa auf dem Deutsche-Welle-Areal in Bayenthal oder zuletzt auf dem Güterbahnhof in Ehrenfeld.

 

Seit 2013 will man mittels Milieuschutzsatzungen »Luxussanierungen« untersagen, weil sie zu Mietsteigerungen oder Umwandlung in Eigentum führen und Mieter verdrängen. Ende 2016 hat der Rat auf Initiative von Linke und SPD solche Satzungen beschlossen, aber bloß für einen Teil von Mülheim und das Severinsviertel. Linke und SPD stimmten zähneknirschend zu.

 

Aber nicht nur Streit in der Politik ist ein Hemmnis: Als die Verwaltung im Sommer 2016 zahlreiche Flächen benannte, auf denen noch Wohnungen gebaut werden könnten, sorgte das für Entrüstung bei den Bürgern. Denn auch Grünflächen gerieten nun als Bauland ins Visier — das hätte Folgen für die Lebensqualität, aber auch für das Stadtklima.

 

Der neueste Vorstoß kommt von der Linken: Die Ratsfraktion hat noch mal die Rolle der GAG thematisiert. Die städtische Wohnungsgesellschaft schafft es seit Jahren nicht, ausreichend preiswerte Wohnungen zu errichten. Vier von zehn Kölnern haben Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein, doch es gibt nur knapp sieben Prozent geförderte Wohnungen — Tendenz sinkend.

 

Zwar streben Stadt und Kölner Wohnungswirtschaft gemeinsam an, künftig jedes Jahr 6000 Wohnungen zu bauen. Aber die Linke glaubt, dass darunter zu wenige preiswerte sein werden. Sie fordert, ein Drittel davon müssten Sozialwohnungen sein — also 2000 pro Jahr. Wie ist das zu schaffen? Michael Weisenstein, wohnungspolitischer Sprecher der Fraktion, sagt, 800 Wohnungen könnten private Investoren und Wohnungsbaugenossenschaften beisteuern. Die restlichen 1200 soll die GAG bauen. Die aber schaffte zuletzt gerade mal 385 geförderte Wohnungen. Daher soll die Stadt die GAG stärker unterstützen als bisher — die GAG benötige dafür mehr Personal und finanzielle Vorteile. Unterstützung erhält die Linke dabei vom Kölner Mieterverein und dessen Vorsitzenden Franz Corneth, immerhin CDU-Mitglied. Derzeit geht der Antrag durch die Ratsausschüsse.

 

Auch eine Personalie gehört zum Thema: Der bisherige Baudezernent Franz-Josef Höing habe sich zu wenig für den Wohnungsbau eingesetzt, sagen SPD und Linke. Sie fordern, bei der Neubesetzung müsse das Profil der derzeit unbesetzten Stelle entsprechend geändert werden. Laut Vertretungsplan hat die Verkehrsdezernentin Andrea Blome, die schon die Vakanz im Dezernat für Wirtschaft ausfüllt, die kommissarische Leitung inne. Blomes Verkehrsdezernat war erst Anfang des Jahres geschaffen worden — damit sich der Baudezernent mehr auf das Bauen konzentrieren könne.