Alltag, aber kein Wahlthema: Dauerstau in Köln, Foto: Dörthe Boxberg

R2G statt Jamaika

Bei der Bundestagswahl hat das Land über die Städte gesiegt. Das zeigt das Kölner Wahlergebnis

Wäre die letzte Bundestagswahl in Köln entschieden worden, sähe die Republik anders aus. Das Ergebnis der CDU wäre noch schlechter, eine rot-rot-grüne Bundesregierung wäre möglich und die AfD wäre die kleinste Oppositionsfraktion.

 

Aber bei der Bundestagswahl hat das Land über die Städte gesiegt und ihnen die Themen diktiert. Über Integration wurde in einer Weise debattiert, in der die »Konvivialität« (Paul Gilroy), das zuweilen chaotische Zusammenleben in der Stadt und seine produktiven Konflikte, nicht vorkam. Wohnungsnot und Verkehrsbelastung waren in den großen Fernsehdebatten nicht einmal der Erwähnung wert.

 

Der deutsche Mieterbund hatte im Vorfeld der Wahl einen 20-Punkte-Katalog vorgelegt, in dem er etwa eine Wohnungsbauoffensive mit 80.000 Sozialwohnungen und eine Anpassung der Mietpreisbremse forderte. »Davon wird eher nichts umgesetzt werden«, befürchtet Hans Jörg Depel vom Kölner Mieterverein. Mit einem grünen Minister, der fürs Bauen zuständig ist, bestehe zwar etwas Hoffnung, meint Depel, »aber wenn das die FDP macht, wäre das nicht gut«. Schon nach der NRW-Wahl hat die schwarz-gelbe Landesregierung angekündigt, die Mietspreisbremse abzuschaffen. »Das ›bunte Köln‹ ist bald nur noch Folklore«, befürchtet Depel angesichts solcher Ideen.

 

Das Kölner Wahlergebnis zeigt jedoch, dass sich die Kölner eben dies nicht wünschen. Die SPD liegt mit 23 Prozent leicht über dem Bundesdurchschnitt (20,5 Prozent). Die Kölner Grünen haben mit 13,5 Prozent jedoch ein viel besseres Ergebnis als die Bundespartei (8,9 Prozent) erreicht. Vielleicht liegt es an der politischen Ausrichtung. Mit Katharina Dröge und Sven Lehmann, der im ehemaligen Wahlkreis von Volker Beck angetreten ist, schicken sie zwei Mitglieder des linken Parteiflügels nach Berlin.

 

Der große Gewinner in Köln ist jedoch die Linke. Sie konnte in Ehrenfeld und der Innenstadt 15 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Auch in Kalk und Nippes ist sie mittlerweile stark. Für Linken-Chef Jörg Detjen ist dafür auch die gute Verankerung vor Ort verantwortlich: »Mittlerweile klopfen uns Leute im Wahlkampf auf die Schulter und sagen ›Ich hab dich schon gewählt‹. Als ich 1994 mit der PDS anfing, ist das nie passiert.« Keine guten Ergebnisse erzielte die Partei jedoch in sozialen Brennpunkten wie Porz oder Chorweiler. »Man muss bei jedem Thema — selbst bei Fußballplätzen– auch die soziale Frage ansprechen«, antwortet Detjen auf die Frage nach einer Gegenstrategie, muss aber dennoch zugeben, dass seine Partei etwa in Porz nicht gut aufgestellt ist.

 

Dort hat dafür die AfD ihre Hochburgen. In Porz-Finkenberg konnte der Jurist Fabian Jacobi mit 26,4 Prozent sogar die Mehrheit der Erststimmen auf sich vereinen. Der 44-jährige ist ein Quereinsteiger in die Politik, vor der AfD war er nicht politisch aktiv. Im Interview mit dem Internetmagazin Report-K wollte er vor der Wahl wenig zu seinen politischen Schwerpunkten im Bundestag sagen. Stattdessen spekulierte er darüber, ob Deutschland nicht im Begriff sei, sich als Republik abzuschaffen, weil es die Kontrolle über seine Währung und seine Armee an die EU delegiert habe.

 

Jetzt zieht Jacobi über die Landesliste der AfD in den Bundestag ein — ebenso wie Jochen Haug. Der Kölner Anwalt sitzt seit 2014 im Rat, ist dort aber in erster Linie durch Nicht-Aktivität aufgefallen: Auftritte am Rednerpult waren selten. Das verwundert nicht — im Wahlkampf hat sich das ehemalige CDU-Mitglied in erster Linie zu Europathemen geäußert. Welche Rolle er und Jacobi in der zukünftigen AfD-Fraktion spielen werden, bleibt offen. Eine Anfrage der Stadtrevue haben sie nicht beantwortet.

 

Eine auffälligere Personalie ist AfD-MdB Harald Weyel aus Bergisch-Gladbach, der an der TH Köln Betriebswirtschaft unterrrichtet. Er bezeichnet sich selbst als »preußisch-hessischer Nationalkosmopolit«, der findet, dass Deutschland »zu den positiven Wurzeln vor der NS-Zeit« zurückfinden müsse. Auf seinem Facebook-Profil bezeichnet er Betonsperren, die vor Terrorangriffen schützen sollen, als »Mahnmal für noch nicht getötete Deutsche und ihre Freunde«. Mit konkreten Vorschlägen für die Verbesserung seiner Heimatregion fiel dagegen auch er nicht auf.