Gegen den Lauf der Zeit

Die Preisträger-Ausstellung Kollwitz neu ­denken zeigt das Nachwirken der Künstlerin

Würde Käthe Kollwitz noch leben, hätte diese Ausstellung für sie einen bitteren Beigeschmack. Das liegt keineswegs an kuratorischen Unzulänglichkeiten. Ganz im Gegenteil: Gerade die Schlüssigkeit des aktuellen Blicks auf eine ausgiebig rezipierte Künstlerin ist erschreckend —  tat sie sich doch als Mahnerin vor den Folgen des Kriegs hervor.

 

Kollwitz ist in dieser Schau durch einen gut gewählten Ausschnitt aus der Sammlung vertreten, der sich auf das Verhältnis zwischen der Künstlerin und der Akademie der Künste Berlin konzentriert. Dort wurde sie 1919 als erste Frau aufgenommen, ehe  sie 1933 aufgrund ihrer politischen Haltung zum Austritt genötigt wurde.

 

Im Zentrum der Ausstellung stehen jedoch 21 ausgewählte Künstlerinnen und Künstler, die seit 1957 mit dem von der Akademie vergebenen Kollwitz-Preis ausgezeich-net wurden, von Otto Nagel über Martin Kippenberger bis zur aktuellen Preisträgerin Katharina Sieverding. Ihre Arbeiten laufen in einer Tradierung der Essenz des Kollwitzschen Schaffens zusammen. Gemein-sam ist ihnen die Auffassung von Kunst als Sprachrohr des Widerstands gegen Vorgänge, die unsere Gesellschaft in Gefahr bringen. Im Querschnitt wird deutlich: Nimmt man die Kunstwerke als Gradmesser ihrer jeweiligen Zeit, so gab und gibt es keinen Grund zur Entwarnung.

 

Willi Sittes Ölstudie zum Vergeltungs-Massaker der Nationalsozialisten in Lidice 1942 (»Massaker II«, 1959) repräsentiert dabei noch eine Generation von Künstlern, denen nach dem Holocaust der Blick nach vorne angesichts der Gräuel, die hinter ihnen lagen, versperrt schien. Es sind aber vor allem die aktuelleren Positionen, die einen nachhaltig ins Grübeln bringen. Etwa Eran Schaerfs Collagen zu den un-durchdringlichen Mechanismen moderner Nachrichten und neuer Medien: »Letters from the editor« (2017); oder Miriam Cahns großes Portrait einer Gruppe von Menschen auf der Flucht, in gedeckten Tönen fast konturlos gemalt und doch inhaltlich und in seiner Wirkung gestochen scharf (»herumlaufen«, 2016).

 

Beim Gang durch die Räume kann man nachspüren, wie sich der Fokus der Künstler mit dem Fortschreiten der Jahrgänge von der Vergangenheit abwendet und sich auf die Gegenwart richtet. Ein gutes Zeichen ist das nicht, aber eine Auszeichnung für eine sehr gute und nachvollziehbare Ausstellung.