Peer, myself and Gynt

Das Schauspiel Köln eröffnet die neue Spielzeit mit Peer Gynt

Es klafft das nachtschwarze Büh-nen-loch, erfüllt von Johnny Cashs rauchiger Stimme: »And now I see the Darkness«. Ein paar Reihen weiter vorne, unterdrücktes Schluchzen aus den Zuschauerrängen. Wer es nach drei Stunden ohne Pause bis hierhin geschafft hat, hat sich einen Augenblick des Weltschmerz--Pathos verdient: Der alte Peer Gynt, verarmt, gebrochen, kehrt auf einem Segelschiff zu seiner Lebensliebe Solvejg zurück, nachdem er sie Jahrzehnte zuvor einsam in der Waldhütte zurückgelassen hat.

 

Nicht ein einziger Mensch lebt, der nicht wenigstens ein bisschen verzweifelt ist, möchte man ihm tröstend zurufen. Und erinnert sich dann doch wieder an Peer Gynt (Jörg Ratjen) als großmauligen Vokuhila-Ästhetiker, der er bis hierhin war. Der voll Hochmut daran zu Grunde ging, nicht er selbst sein zu wollen und sich dem »Entweder-Oder« des Lebens entzog, indem er sich immer wieder neu erfand. Peer Gynt, der Bauernsohn aus ärmlichen Verhältnissen, ist Brauträuber, Einsiedler, Sklavenhändler, Prophet. Er reist um die Welt und wird schließlich zum Kaiser der Irren ernannt.

»Das wirklich Gefährlichste und Schlimmste, sich selbst zu verlieren, kann in der Welt so still hingehen, als wäre es nichts«, schrieb Kierkegaard. Still geht es auch bei Peer Gynt zu — zumindest in Stefan Bachmanns unkon-ventioneller Inszenierung von Ibsens »dramatischem Ge-dicht«. Auf der Bühne im Depot 1 dreht sich dann und wann die schwarze Wand und gibt den Blick frei auf einen schräg abgeschnittenen Zylinder, auf dessen spiegelglatter Ober-flä-che das »Gyntsche Ich« in Schief-lage gerät: Fiktion oder Wahrheit? Peer Gynt flüchtet sich in Fanta-sie-welten, bis er schließlich gänzlich zu unterscheiden verlernt.

 

Was wird wahr, und was bleibt als Wahrheit immer nur im Gyntschen Kopf? In grobmaschigen Strickkostümen mit Häkel-Busen und übergroßen Phallussen treibt das achtköpfige Ensemble diese Frage voran. Der komische Tanz der Trollprinzessin (Max Mayer), der groteske Auftritt des fremden Passagiers (Peter Miklusz): Bachmann scheut nicht davor zurück bizarre Wirklichkeit und phantastische Tagträume als gleichberechtigte Dimensionen nebeneinander stehen zu lassen. So ist man als Zu--schauer am Ende selbst vor die Wahl gestellt, einen Schluss zu finden — und damit möglicherweise auch seine eigene persönliche Wahrheit. Wer ist Peer Gynt? Wie findet man sich selbst? Und wer zur Hölle bin ich?