Partydroge von nahem betrachtet: Ketamin-Kristalle, Foto: © Coaster420/wikimedia

Stadt mit K

Eine Praxis aus Bayenthal behandelt Depressionen mit Ketamin

 

Auf die Idee mit dem Ketamin kam Frank Mathers durch einen Zufall. In seiner Praxis für Schmerztherapie in Bayenthal setzte er das Mittel bei Patienten mit Nervenschmerzen ein. Die Ergebnisse waren unbefriedigend. Doch Mathers fiel etwas anderes auf: »Patienten, die neben Nervenschmerzen auch unter Depressionen litten, erfuhren durch das Ketamin deutliche Besserung.« 

 


Das Medikament, das täglich in der Notfallmedizin als Narkosemittel verwendet wird und außerdem einen Ruf als Partydroge besitzt, setzt Mathers seither im sogenannten Off-Label-Verfahren ein, also außerhalb seines gesetzlich zugelassenen Einsatzfelds. 

 

Etwa 80.000 Kölner zwischen 18 bis 65 Jahren leiden an Depressionen. Ihre Behandlung ist schwierig: Plätze für eine Psychotherapie sind rar, und die Therapie mit Antidepressiva hat ihre Tücken. Seit etwa 30 Jahren sind hierfür Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRIs) der Standard. Dabei wirken sie im Vergleich zu anderen Medikamenten nicht sonderlich gut. Patienten müssen in der Regel drei verschiedene Antidepressiva ausprobieren, bis eines die Depression lindern kann. Bei rund 40 Prozent der Patienten zeigen heutige Antidepressiva keine Wirkung. »Kein anderes Medikament mit so schlechtem Wirkungsgrad würde normalerweise in Deutschland zugelassen werden«, erzählt Frank Mathers. 

 

Seit Jahren wird sowohl aus den USA als auch aus der Berliner Charité von erfolgreichen Behandlungen von Depressionen mit Ketamin berichtet; in Berlin wird die Wirksamkeit zur Zeit in einer Studie evaluiert. Allerdings erfüllen nur wenige Patienten die Voraussetzung, um an der Studie teilnehmen zu können. Auch Mathers entscheidet erst nach ausführlichen Gesprächen, wer für die Behandlung mit Ketamin in Frage kommt. 

 

Neben den Patienten werden auch Therapeuten befragt, denn eine parallel stattfindende psychiatrische oder psychologische Behandlung ist Pflicht. Suchtverhalten, Selbstmedikation oder Herzkrankheiten sind Ausschlusskriterien — aber ebenso ein geringes Einkommen. Die Behandlung mit Ketamin kostet in den ersten drei Wochen etwa 1200 Euro und wird nicht von der Krankenkasse übernommen. Dabei verzeichnet Mathers Erfolge: Insgesamt behandelte er etwa 280 Patienten mit Ketamin. Die Erfolgsquote lag zwischen 60 und 70 Prozent. »Unsere Patienten hatten zuvor schon mehrere Medikamente ausprobiert und waren trotzdem kaum in der Lage zu duschen oder das Bett zu verlassen«, berichtet Petra Reiter-Nohn, die als Fachkrankenschwester für Anästhesie in Mathers’ Praxis arbeitet. 

 

Eine Etage unterhalb der Praxis befinden sich die Ruheräume für die Patienten. Laute Geräusche während der Behandlung können zu Angstzuständen führen. Mathers schildert, wie die Patienten ihre Gefühle während der Behandlung beschreiben: »Alle Gefühle werden aufgewühlt und wie Konfetti hochgeworfen, wobei vollkommen neue Perspektiven aufgezeigt werden.« Mittlerweile tauscht Mathers seine Ergebnisse auch mit der Uniklinik Zürich aus, die neben Köln und Berlin einer der wenigen Versuchsorte der Ketamin-Behandlung in Europa ist. 

 

Bis die neue Methode alltäglich wird, dürfte es noch einige Zeit dauern. Die American Psychological Association (APA) wies im Mai 2017 darauf hin, dass es noch zu wenige Studienergebnisse über die Wirkung von Ketamin als Antidepressivum gebe. Die Wirksamkeit kann noch nicht nachgewiesen werden, auch der Wirkmechanismus ist noch weitestgehend unerforscht. »Wir wissen nicht, ob die Konfrontation mit verdrängten Gefühlen oder eine Veränderung der Hirnchemie die positiven Effekte hervorruft. Da werden auch wir weiter forschen müssen«, so Frank Mathers. Dazu hat er auch Gelegenheit. Seine Patienten müssen nach den ersten sechs Behandlungen nach etwa vier bis 26 Wochen wiederkommen, zum Auffrischen. Auch das bekommen die Patienten nicht von der Krankenkasse erstattet. In den USA wurde mittlerweile ein Fast-Track-Verfahren eingeleitet, das eine Freigabe von Ketamin zur Behandlung von Depressionen innerhalb der nächsten zwei Jahre vorsieht. Solche Bemühungen gibt es in Deutschland bislang nicht. Die kleine Praxis von Frank Mathers in Bayenthal bleibt also für viele Schwerdepressive fürs Erste die einzige Anlaufstelle.