Algiers

»The Underside of Power« — der Song und das Video haben alles, was Radical Chic heutzutage ausmachen könnte, ein Stück, das -bestens als Antifa-Mobilisierung diente. Und doch haben Algiers nichts von dem unveraulichen Linkspopulismus, wie er musikalisch einst von Rage Against The Machine in die Welt gerülpst wurde und wie er bis heute, bis zu den unsäglichen Prophets of Rage, reanimiert wird. Beiseite gesprochen: Die so ermüdende Debatte, wie populistisch die Linke zu sein hat, erübrigte sich sofort, machte man sich bewusst, was das für schreckliche Musik mit sich brächte. 

 

Algiers liefern nicht den Soundtrack zur schwiemligen Verbrüderung, ihr treibender Wave Rock ist unterkühlt und der Gospel, in dem dieser kokainweiße Postpunk zur großen Überraschung aller mündet, mit Schmerzen erkauft. Ihre Musik kann man sich als Konzentrat aus Pseudo-Industrial (Nine Inch Nails!), motorisch hyperaktiven Neo-Punk à la Idles, Depeche Mode, Otis Redding und Aretha Franklin vorstellen — eigentlich unmögliche. Algiers haben sicherlich Kitsch-Appeal, aber gleichzeitig offeriert ihre Musik eine Völlerei, nach der man kotzen möchte. Aber Minus mal Minus mal Minus mal Minus ergibt dann doch wieder Plus. Diese Musik zwingt zur Reflektion, wer zu ihr Steine schmeißt, der weiß, was er tut. 

 

»The Underside of Power« ist auch der Titel ihres letztes Jahr erschienenen zweiten Albums (Matador Records), ein wütender Kommentar zur Zeit und zugleich kompakter Ausdruck einer musikalischen Agenda, die einen langfristigen Plan verfolgt. Es dürfte schwer sein, die Band zu vereinnahmen. Jeder Ausbruch in ihrer Musik ist gekoppelt an bisweilen quälend lange Spannungsbögen, die sich nicht auflösen wollen, ihr Messianismus paart sich mit düsterer Introspektion. »The Underside of Power« vertont eben nicht nur Aufbruch, sondern auch Stillstand. Aus dieser Reibung entwickelt das ursprünglich aus Atlanta stammende, heute zwischen New York und London pendelnde Quartett um den Sänger und Gitarristen Franklin James Fisher eine ungeheure Energie, von der sie selbst noch nicht zu wissen scheinen, ob sie eine Kraft der Heilung oder ein Moment der Selbstverbrennung ist.