On the Beach at Night Alone

Hong Sang-soo schont sich nicht in seinem

autobiografisch angehauchten Liebesdrama

In Südkorea sind die beiden 2016 unfreiwillig in die Schlagzeilen geraten: Regisseur Hong Sang-soo und Schauspielerin Kim Min-hee. Hong verließ für die mehr als 20 Jahre jüngere Kim seine Frau und Kinder, was im moralisch konservativen Land einen handfesten Skandal auslöste. »On the Beach at Night Alone« war Hongs erster Film nach dem Trubel — mittlerweile sind zwei weitere hinzugekommen. Es ist eine leise, aber bestimmte Abrechnung mit den gängigen Urteilen über die Liebe geworden.

 

Die junge Schauspielerin Young-hee, gespielt von Min-hee, geht nach einer Affäre mit einem verheirateten Mann auf Reisen und lässt sich eine Zeitlang in Hamburg nieder. Sie will sich selbst finden, unbeschwert sein. Als sie nach Südkorea zurückkehrt, konfrontieren ihre alten Freunde sie mit Ressentiments gegen ihre Freiheitsliebe. Schließlich begegnet sie auch ihrem Liebhaber wieder, doch statt mit Zuneigung antwortet er mit blanker Verachtung.

 

Der Film entwickelt sich ganz um seine Protagonistin herum. Young-hee wirkt unnahbar und doch spontan, ein Mensch mit eigenem Temperament. Vor allem in Gesprächen bricht sich ihr Eigensinn Bahn. In Südkorea ist sie so verbittert über ihre bornierten Freunde, dass sie eine Bekannte aus Trotz dazu überredet, sie zu küssen, hier und jetzt — einer der schönsten Momente des Films. Young-hee lebt in der Gegenwart, und das bereitet ihren Mitmenschen Probleme. Genau wie ihre emotionale Ehrlichkeit, manchmal auch Unbestimmtheit.

 

Die Stärke von »On the Beach Alone at Night« sind die meist minutenlangen Dialoge. Sie zeigen: Selten sind Menschen bereit, emotional wirklich in andere zu investieren. Liebeskummer oder auch nur Unsicherheit gehen im Alltag des gesellschaftlich gefälligen Lebens unter. Am Ende ist man auf sich allein gestellt. Diese Erfahrung macht Young-hee, doch der Film stellt sich auf ihre Seite.

 

Ohne Zweifel geht es in »On the Beach at Night Alone« um Min-hees eigene Geschichte, es ist eine kluge Fiktionalisierung der Fallstricke einer gesellschaftlich nicht anerkannten Liebe, in den für Sang-soo typischen langen Einstellungen und überraschenden Zooms. Überraschend auch, dass der fiktive Regisseur im Film so schlecht wegkommt. Aber »On the Beach at Night Alone« will keine persönliche Rechtfertigung sein, sondern beschreibt stattdessen den Zustand einer Liebenden, die sich außerhalb der Norm bewegt.