Legt man zurzeit ein Wort wie ­Heimat auf die Waagschale, dann bedarf es schon eines messerscharfen Blickes, um auf der anderen Seite der Waagschale etwas zu entdecken, das die gesellschaftliche Debatte befruchtet. So hat das A.Tonal.Theater sein neues Stück »Heimat 4.0 — ein unheimliches Bürgertheater« als ein städteübergreifendes Projekt angelegt und dem Programmflyer einen Gedanken von Victor Klemperer vorgestellt, der in »LTI — Notizbuch eines Philologen« schrieb: »Worte können sein wie winzige Arsendosen: Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung da.«

Ziel des Projekts, das die Kölner Gruppe um Regisseur Jörg Fürst in Kooperation mit dem Theater an der Ruhr entwickelt hat, ist es, laut Jörg Fürst, eine generationsübergreifende Diskussion über den Heimatbegriff zu initiieren. Denn Populismus ist weit mehr als eine Stilfrage oder Rhetorik. Je nachdem, ob man das »Volk« als Ethnos oder Demos versteht, bildet das »eigene« oder das »gemeine« Volk den Fixpunkt. Die Theatermacher setzen da an, wo Rechtspopulisten unter Heimat die soziale mit der nationalen Frage propagieren, statt die Frage nach der Verträglichkeit von sozial und demokratisch zu stellen. Theater soll hier als Denk- und Erfahrungsraum dienen, in dem identitätsstiftende Schnittmengen zwischen jungen und alten Menschen, mit und ohne Flüchtlingsbiografien sicht- und erlebbar werden.

Damit eröffnen sie die Perspektive jenseits eines eher eurozentristischen Horizonts, wie ihn der Philosoph und Publizist Christian Schüle für sein Buch »Heimat — ein Phantomschmerz« gewählt hat, auf das sich der Regisseur in seinem Stück »Heimat 4.0« bezieht. Während Schüle von dem von Populisten vereinnahmten Heimatbegriff ausgeht, der in erster Linie die abwehrenden Revierreflexe hiesiger Bevölkerungsgruppen meint, rückt das Theaterstück die Perspektive von Geflüchteten in den Fokus. Also von denen, die von Europa als Sehnsuchtsort, als neue Heimat träumen und damit eine ganz andere Geschichte von »Heimat« erzählen.