Grüße aus einem anderen Leben

Filmgeschichte auf Kölner Leinwänden

Jetzt wissen wir endlich, wie er aussieht: Günter Peter Strascheks »Ein Western für den SDS« von 1968 — ein Titel, der seit Dekaden durch die BRD-Filmgeschichte geistert, ein Werk, das lange als verschollen galt und kürzlich genau dort gefunden wurde, wo Abweichungen und Gegenvorschläge dieser Art gern ausharren: in einem Regal, wo sonst nur Filmdosen mit Schnittresten ruhten. Mit seinem Mythos wird dieses kurze Stück Klassenkampf nie mithalten können — allein deshalb, weil er etwas völlig anderes ist, als man denkt: nämlich ein stringent feministischer Film darüber, wie die Minderstellung der Frau in der BRD funktioniert, welche Folgen das hat und was man vielleicht anders machen müsste. Klingt nicht wie ein Western?

 

Doch, wenn man versteht, dass der Western das Genre der Zivilisationsstiftung ist, des Nachdenkens darüber, wie Gemeinschaften funktionieren. Das war nicht das einzige verschollene Werk Strascheks. Auch »Zum Begriff des ›kritischen Kommunismus‹ bei Antonio Labriola (1843–1904)« (1970) fand sich erst vor kurzem wieder, in einem benachbarten Filmdosenstapel. Wie »Ein Western für den SDS« adelt auch dieser das amerikanischste aller Genres, vor allem, wenn Harun Farocki vom letzten Politgruppentreffen berichtet und dabei knarzig-würzig wie einst Joel McCrea die Worte des Genossen Bauarbeiter zum Besten gibt: »Theorie ist scheiße.« (Mehr zur Ausstellung über Straschek im Kunstteil.)

 

Ob man jemals den Film zu sehen bekommt, dessen Geschichte Robert Sigl im kürzlich bei »Stranger Than Fiction« in Köln gezeigten Dokumentarfilm »Offene Wunde deutscher Film« zu erzählen beginnt, die Geschichte vom KZ-Aufseher und dem Häftling und dem Sex zwischen beiden?

 

Strascheks verlorene Filme ließen sich wenigstens finden — Sigls unrealisierte bleiben der Fantasie überlassen. Soll man sagen: Er ist ein cinéaste maudit, ein verfemter Filmemacher, weil er nach seinem epochalen Langfilmdebut »Laurin« (1989) nur noch im Fernsehen, in der Konfektion Arbeitsmöglichkeiten fand? Oder soll man ihn für all die verque(e)r-visionären Beiträge zu »Tatort«, »Alarm für Cobra 11«, »Soko Wien« und »Aktenzeichen XY … ungelöst« als einen der wenigen bundesdeutschen Genre-Großmeister feiern? Letzteres natürlich! Vor allem aber für »Laurin«, diesen schwulen Märchenfilm für Erwachsene — ein Gruß aus einem möglichen anderen Leben. Straschek und Sigl: Das ist Kino.