Izmir, Köln, Bologna, Wien

Kent Coda haben die türkische Psychedelic-Musik für sich entdeckt

Manchmal braucht es halt ein bisschen länger: Kent Coda gibt es mittlerweile seit 14 Jahren, 2015 tauchte ihre türkische Coverversion des Wanda-Smash-Hits »Bologna« auf. Das Kölner Trio war auf einmal in aller Munde und die Wiener Rockstars buchten daraufhin Kent Coda für das Vorprogramm ihrer Hallentournee. So ergab sich auch der Kontakt zum Wanda-Produzenten Paul Gallister, der die Band einlud, ihr neues Album in Wien aufzunehmen. »Ich hätte nie gedacht, dass Aufnehmen Spaß machen kann«, sagt Sänger und Gitarrist Ögünc Kardelen über diese Erfahrung. »Es sollte klingen, als ob wir auf einer einsamen Insel zusammen Musik machen. Roh, direkt und frei.« Trotz Gastmusikern gebe es auf dem Album kein Arrangement, das die Band nicht auch live als Trio spielen könne: »Ich habe ohne Gesangskabine mit dem Mikro in der Hand zu einem hellen Fenster zur Straßenseite hin gesungen«, sagt Kardelen. »Es gibt also auch viel Wien auf diesem Album zu hören.«

 

In der Verganganheit standen Kent Coda für anglo-amerikanischen Indiepop mit türkischen Texten. Mittlerweilse ist die Musik ein Crossover aus westlichen und orientalischen Elementen. »Der orientalische Einfluss kommt definitiv von türkischen Hochzeiten, an denen ich unfreiwillig teilnehmen musste«, sagt Kardelen, nennt als Vorbilder aber auch Türk-Rock-Legenden der 70er-Jahre wie Barı? Manço, Cem Karaca und Erkin Koray. Stilistisch prägend ist zudem der Perkussionist Sercan Özökte, der mit seiner Darbuka 2015 zu Kent Coda gestoßen ist. So wurde das Duo, das bis aus Kardelen und dem aus Österreich stammenden Bassisten Christoph Guschlbauer bestand, ein Trio.

 

Wie der Titel »Bir balık olsam« (Ich wünschte, ich wäre ein Fisch) andeutet, sind Wasser und Meer zentrale Themen des Albums. Das hat laut Kardelen sowohl persönliche und nostalgische als auch politische Gründe. »In den letzten Jahren spielt das Meer eine besondere Rolle als ein Weg zu Freiheit oder Hoffnung«, sagt er. »Izmir und Umgebung, wo eigentlich meine schönsten Erinnerungen herstammen, ist für viele Flüchtlinge der erste Zwischenstopp ihrer Reise nach Europa. Man sieht tagsüber kaputte Schwimmwesten am Strand.« Das Meer sei für den Sänger mit dem sonoren Bariton aber immer eine Definition für Freiheit gewesen. »Diese zwei gegensätzlichen Gefühle, die ich jetzt für das Meer empfinde, beschäftigen mich sehr.« Mit Kent Coda ist es Ögünc Kardelen gelungen, diese Gegensätze in leidenschaftliche Musik zu packen.