Erzähl’ mir nix vom Pferd: Durch die Hahnentorburg passen 390 Gäule, Foto: Marcel Wurm

Die paar Verletzten

Pferde durchgegangen, Zuschauer im Krankenhaus: Rosenmontagszug geglückt

Was ist Mist? Neben den Landwirten ist die Politik hier Experte. Opposition ist Mist, sagte einst Franz Müntefering als SPD-Fraktionschef. Es war die bislang gültige Mist-Definition der Politik. Dann kam Herbert Reul und sagte, ein Karnevalszug ohne Pferde sei Mist. Herr Reul ist nicht in der Opposition, sondern CDU-Innenminister von NRW. Bemerkenswert an der christdemokratischen Mist-Definition ist vor allem, dass der Minister so sprach, kurz nachdem vier Menschen verletzt worden waren, weil am 12. Februar im Kölner Rosenmontagszug zwei Pferde durchgingen. Weitere Zuschauer gerieten in Panik. Es grenze an ein Wunder, dass nicht mehr Menschen verletzt worden seien, sagen Augenzeugen. War womöglich auch der Minister durchgegangen? Kann man ihn noch einfangen?

 

Mist war nach dem Unglück jedenfalls auch die Premiere des neuen Zugleiters Alexander Dieper. Aber der zeigte sich im WDR-Fernsehen mit dem Verlauf zunächst zufrieden. Später besuchte er die Verletzten im Krankenhaus, Narrenkappe dabei. Karneval ohne Kappe ist auch Mist.

 

Die Polizei ermittelt noch die Ursachen des Unglücks. Diejenigen Karnevalisten, die Pferde durch Menschenmengen traben lassen, hoffen derweil noch darauf, ein Verdacht möge sich bestätigen: dass Zuschauer die beiden Kutschpferde in Aufregung versetzt hätten. Aber was würde das daran ändern, dass die vom Trubel gestressten Pferde im Karnevalszug nicht ganz ungefährlich sind? Auch dann kann Zugleiter Dieper nicht ausschließen, dass sich solche Unfälle wieder ereignen. Es sei denn, man will den Zug ohne Zuschauer gehen lassen, als neue Form des Geisterzugs.

 

Allein im Rosenmontagszug gehen rund 390 Pferde mit. Bereits bei der Aufstellung in der Südstadt kann man beobachten, wie das Spektaktel bei den Tieren an--kommt. Schon im Vorjahr war in Köln ein Pferd zusammengebrochen. In Bonn waren zwei Pferde durchgegangen. Mehrere Tierschutz-Organisationen stellten 2017 Anträge im Beschwerdeausschuss der Stadt Köln, scheiterten aber. Horst Thelen, Ausschussvorsitzender und Grünen-Politiker sah damals wie das gesamte Gremium »keine Notwendigkeit für ein Verbot«. Diese Trübung des Blicks setzt bei Politikern offenbar immer ein, wenn es um den kölschen Karneval geht. Auch die Exzesse im Straßenkarneval konnte kaum jemand erkennen, bis Oberbürgermeisterin Henriette Reker darum bat, mal die Augen zu öffnen. Viele Karnevalisten empfanden diese Bitte jedoch als Zumutung, man müsse einfach woanders hingucken, dorthin, wo es schöner sei.

 

Wenn es um den Karneval geht, ist aber nicht nur der Blick getrübt, sondern auch die Vernunft. Nur so kann man daran glauben, Fluchttiere so zurichten zu können, dass sie siebeneinhalb Kilometer durch eine grölende Menschenmenge mit lauter Musik traben, ohne dass irgendeine Gefahr für Mensch und Tier bestehe. Pferde im Karneval seien Tradition, hört man von -Karnevalsfunktionären. Randa-lierer und Wildpinkler sind das auch. Wäre Karneval ohne sie dann auch Mist?