Mit schönheitsverehrendem Blick: Paul Nizon

Die Belagerung der Welt

Paul Nizon ist für seinen existenzialistischen Zugang zu Kunst und Literatur bekannt. Jetzt liest er zum ersten Mal seit langem in Köln

Es ist schwierig, auf knappem Raum einen Autor vom Range Paul Nizons zu charakterisieren, ohne in Klischees zu verfallen: Sprachmagier und Vielschreiber, Exil-Schweizer und Wahlpariser, Solitär und Welt-Literat? Vielleicht genügen auch nur einige Zitate. Sätze wie »Mir wird zu eng, ich halte das nicht mehr aus« und »Ich habe, oft unwiderstehlich, diese Verlockung der Frau vor Augen, aber es ist eine ehrfürchtige Schönheitsverehrung« oder auch »Das Leben ist zu gewinnen oder zu verlieren«.

 

Nizons Stoff ist die Fremdheit des Daseins; sein Stil schöpft aus dem eigenen (Er)Leben, ohne sich im autobiografischen Abspiegeln zu erschöpfen. In Frankreich, wo der 1929 in Bern geborene Sohn eines Russen und einer Schweizerin seit 1977 lebt, wird er für diesen existenzialistischen Zugang geliebt. Dort kann der Autor von Büchern wie »Canto« (1963), »Das Jahr der Liebe« (1981) oder »Hund. Beichte am Mittag« (1998) offenbar auf mehr Resonanz als hierzulande zählen. Dabei sind es Texte von virtuoser Sprachkraft und einem fast wollüstigen Wahrnehmungshunger, der aufs Papier drängt. Nirgendwo wird dies greifbarer als in Nizons Journalen: Tausende von Seiten, bislang nur zu einem Bruchteil veröffentlicht. Ein Filtrat aus dieser furiosen Tagebücherei bietet etwa der Band »Die Belagerung der Welt« (2013). Insbesondere um diese Aufzeichnungen wird es beim Kölner Gespräch im Literarischen Salon mit Guy Helminger und Navid Kermani gehen.

 

Doch hat der Gast aus Paris, der selten in Deutschland auftritt, auch ein neues Buch im Gepäck. Denn die Schreibkarriere des promovierten Kunsthistorikers beginnt Ende der 1950er Jahre als Museumsassistent und respektierter Kunstkorrespondent der NZZ in Bern. Auch nachdem er sich von jeder bürgerlichen Existenz (und aus dem Inseldasein der Schweiz) befreit, um sich ganz der Literatur zu widmen, verfasst er weiter Kunstkritiken. Die wichtigsten dieser Texte aus 60 Jahren sind nun in dem Band »Sehblitz« (Suhrkamp 2018) erstmals versammelt, ein persönliches Museum der modernen Kunst, das von Goya über van Gogh bis Pollock und Christo auch Nizons eigene radikale Selbst- und Wirklichkeitssuche illustriert.