Böse Buben

Charlotte Sprenger zelebriert in Clockwork Orange kunstvolle Angstästhetik

Vorhang auf für ein kleines bisschen Horrorshow! Alex (Denis Merzbach) ist schon mittendrin. Wie ein Häuflein Elend hockt er an der Wand des Keller-Theaters, dessen ganz in gelbem Schaumstoff ausgekleideter Bühnenraum verdächtig einer Gummizelle gleicht. Alex, der Anti-Held aus Anthony Burgess‘ zeitloser Dystopie »Clockwork Orange«, erwacht erst zum Leben, als seine Droogs (Markus J. Bachmann, Frank Casali, Liliom Lewald, Madieu Nguyen) auftauchen. Bei Regisseurin Charlotte Sprenger laufen die nicht im Kubrick-Weiß auf, sondern bunt wie eine Boy Group aus den 90ern. Berauscht von den Drogencocktails aus der Milchbar, die ihre Gewaltfantasien entfesseln, geht es auf die nächtliche Aggro-Tour.

 

Die Schauspieler wechseln dabei gekonnt von der Täter- auf die Opferseite, zeigen sich dabei mal brutal und im nächsten Augenblick mitleidserregend verletzlich. Wenn alle fünf Darsteller bei einer stilisierten Vergewaltigungsszene aller Kleidungstücke entledigt zu einem irritierenden Reigen verschmelzen, liegen Schönheit und Schrecken bei diesen choreographierten Gewaltexzessen, die auch immer autoaggressive Züge tragen, dicht beieinander. Wie Raubtiere bewegen sich die fünf brillant aufspielenden Akteure über die Bühne und brechen sogar einmal in den Zuschauerraum ein, sodass die kunstvoll inszenierte Angstästhetik bis in die Zuschauerränge überschwappt. Es folgt die Verhaftung von Alex und der verstörende Prozess der Umerziehung durch das staatliche »Ludovico«-Programm.

 

Allerdings gelingt die Resozia-lisierung durch die Alex nun zu Leibe rückenden Institutionen von Politik, Polizei und Priesterschaft, nur mit Hilfe von Medizin. Alex wird einer Aversionstherapie unterzogen, die seine Gelüste nach Sex und Gewalt in unüberwindbare Übelkeit verwandeln. Während die rigorose Konditionierung im Roman und im Film aus Alex noch ein wehrloses Wesen macht, wählt die Bühnenfassung von Julia Fischer und Charlotte Sprenger einen anderen, originellen Weg. Alex, dem das Heft des Handelns aus der Hand genommen wurde, verharrt hier minutenlang schweigend und regungslos auf der Bühne.

 

Konfrontiert mit der eigenen Leere wird aus dem »bisschen -Horrorshow« ein Horror-Vacui, der sich einer Ausfüllung partout zu verweigern scheint. Die Zeit steht förmlich still und das Warten beginnt. Die Agonie zwingt auch den Zuschauer, die vorher über -90 Minuten so perfekt präsentierte Unterhaltungsmaschinerie beiseite zu schieben und sich selbst Antworten zu suchen, auf die Fülle der Fragen, die Burgess’ Gewaltszenario immer noch aufwirft.