happening & fluxus, Kölnischer Kunstverein 1970

Köln im November 1970. Der Eklat ist perfekt. Aus der Bevölkerung kommt die Drohung, die Ausstellung »happening & fluxus« im Kölnischen Kunstverein »werde brennen«. Sie wird daraufhin geschlossen und ohne die Kojen der umstrittenen Teilnehmer Hermann Nitsch und Otto Mühl neu eröffnet. Ein Flugblatt der Initiative »Erste Hilfe« listet insgesamt sieben zensierte Environments und ernennt Köln zur »deutschen Hauptstadt der (Kunst-) Zensur«. 270 Mitglieder des Kunstvereins artikulieren ihren Unmut durch ihren Austritt, aber es gibt auch – wenngleich weniger – neue Beitritte.
Der Kölner Kulturdezernent Kurt Hackenberg hatte den Kurator Harald Szeemann – Leiter der bevorstehenden »documenta 5« – eingeladen, gemeinsam mit dem Kunstvereinsdirektor Toni Feldenkirchen eine Ausstellung zu entwickeln. Dass Szeemann sich für Happening und Fluxus entschied, stieß auf doppelte Kritik: Die einen sahen nur »Obszönitäten und Perversitäten« (so der »Kölner Tierschutzverein 1868«); die anderen hielten das Vorhaben für historisch bereits verspätet.
Kurator des Archivprojekts, das jetzt einen Rückblick auf diese Ereignisse erlaubt, ist der Kölner Künstler Marcel Odenbach. Die Kunstvereins-Leiterinnen Anja Nathan-Dorn und Kathrin Jentjens haben ihn eingeladen, aus dem hauseigenen Archiv eine Präsentation für den Seminarraum im Obergeschoss zu entwickeln, die den Auftakt zu einer Serie von Archivausstellungen mit dem Obertitel »Der springende Punkt« bildet. Dass Odenbach das Kapitel »happening & fluxus« aufarbeitet, ist eine glückliche Wahl, fokussiert er doch ein Ereignis, das Geschichte geschrieben hat.
Odenbach hat klug darauf verzichtet, die Exponate ästhetisch zu überhöhen. Stattdessen gibt es die Möglichkeit, sich in ebenso brisante wie amüsante Relikte zu vertiefen: Presseausschnitte, Radio- und Fernsehbeiträge, Fotos und Akten, ergänzt durch Vitrinen mit Fluxus-Objekten. Die durchaus komplizierte Frage zu beantworten, was »der springende Punkt« dieser Aufarbeitung sein kann, bleibt Aufgabe der Betrachter. Eine Mobilisierung und Polarisierung des Publikums, wie Szeemann und die übrigen Beteiligten sie 1970 erreichten, ist heute jedenfalls selten geworden.



Ausstellung

Der springende Punkt: »happe­ning & fluxus. Kölnischer Kunstverein, 1970«, Kölnischer Kunstverein (3.OG), Hahnenstr. 6, Di-So 13-19 Uhr,
bis 21. Dezember 2007