Die Geister von Fela und Ornette: Seun Kuti

Seun Kuti & Egypt 80

Seun Kuti schlägt den Afrobeat im Takt des politischen Protestes

Mit »Black Times«, seinem vierten Full-Length-Album, ist Seun Kuti, 35-jähriger Bandleader, Sänger, Saxofonist, Songwriter und Politaktivist — »Occupy Nigeria« —, dort angekommen, wo sein Vater, der Über-Bandleader und Afrobeat-Erfinder Fela Kuti (1938–1997) wohl heute wäre. 

 

Der Satz enthält mindestens eine Frechheit — muss man denn das Werk des jüngsten Sohnes zwanghaft an das des Vaters koppeln? Aber es ist Seun selbst, der sich in die Tradition des Afrobeat, jener supermuskelösen und doch unverschämt eleganten Rockmusik Westafrikas, reiht und dafür auf Egypt 80 zurückgreift — die Band seines Vaters. Gleichzeitig ist sich Seun bewusst, dass er 2018 lebt und seine Heimatstadt Lagos heute auch ein globales Ereignis ist, dass mithin jede Retro-Attitüde und jeder Klang-Snobismus ein Verrat an der Agenda seines Vaters und an der großartigen Tradition des Afrobeat wäre. Kurzum: Seun Kuti weiß, dass er auf sich gestellt ist.

 

Und er ist dieser Herausforderung mehr als gewachsen: »Black Times« (kürzlich auf Strut/Indigo erschienen) ist ein reifes, konzentriert durchgearbeitetes, fein abgeschmecktes Album von acht dichtgewebten Songs, in die sich selbst der entrückte Dauergniedler Carlos Santana integriert. Das liegt sicher auch an Ko-Produzent Robert Glasper, der ein ähnliches multidimensionales Musikverständnis wie Kuti einbringt, allerdings mehr auf den amerikanischen Jazz ausgerichtetes. So huscht nicht nur der Geist von Fela durch die Kulissen, sondern auch der von Ornette Coleman. Mit seiner Prime-Time-Band entwickelte Coleman einst einen so abgespeckten wie melodisch ungemein beziehungsreichen Jazzrock. Er hallt in Seuns Stücken wider. Zu dieser Musik stampft und hopst man nicht, man tanzt. 

 

Aber vorsichtig: »Black Times« arrangiert die unterschiedlichsten Traditionen transatlantischer schwarzer Musik »ungleichzeitig«, er schichtet und collagiert, als Arrangeur entscheidet er sich nur selten für das Naheliegende. Seun Kuti und Egypt 80 bleiben unberechenbar. Und sind deshalb ganz nah dran an einer zeitgemäßen globalen Protestmusik, die auf Traditionen nicht verzichtet, sondern sie für alle neu kontextualisiert.

 

 

StadtRevue präsentiert

Konzert: Mi 16.5., Club Bahnhof Ehrenfeld, 20 Uhr