Visions of Iran

Das iranische Filmfestival heißt jetzt anders, das Programm ist aber weiter hochkarätig

Als 1984 ein Flugzeug mit den Opfern eines Senfgasangriffs aus dem irakisch-iranischen Krieg in Wien landet, stehen die Ärzte vor einem Rätsel. Die schwerverletzten Patienten zeigen keinerlei Anzeichen einer Besserung ihrer Symptome. Mostafa Razzagh-Karimi rekonstruiert in »Memories for all Seasons« die sich anschließende Spurensuche und den Kampf darum, die Giftgasangriffe auch als solche zu benennen. Anlässlich des Jahrestags des Giftgasangriffs auf Halabdscha 1988 widmet sich das diesjährige Iranische Filmfestival dieser im Ausland heute weitgehend vergessenen Geschichte mit einem Schwerpunkt.

 

Ein neuer Name, eine Abspaltung — Veränderungen gibt es genug beim Iranischen Filmfestival in Köln, das seit diesem Jahr unter dem Titel »Visions of Iran« firmiert, aber eines ist geblieben: ein einzigartig aufregender Einblick in die lebendige Filmszene des Irans.

 

Hochzeitsvideos bilden die Grundlage für Mohammadreza Farzads Essayfilm »Wedding«: nach der Trennung von seiner Frau befragt Farzad sein eigenes und fremde Hochzeitsvideos nach Anzeichen für die spätere Trennung. Doch zunehmend öffnet sich der Film zu einer Introspektion im Spiegel der zahllosen Hochzeitspaare und Hochzeitsfeiern: Fragen nach Ehe, Partnerschaft und deren Rolle in der Gesellschaft treten hinzu. 

 

Eine Zäsur steht auch am Anfang von Kazem Mollaies Langfilmdebüt »Kupal«: das Eingipsen eines Armes. Ein Unfall zwingt Dr. Ahmad Kupal, Tierpräparator, Jäger und begeisterter Freund guten Essens, zum Kürzertreten und damit treten verdrängte Probleme wieder an die Oberfläche. Mollaie zelebriert die massive Körperlichkeit seines Hauptdarstellers Levon Haftvan inmitten präparierter Tiere mit einem Faible für Absurdität.

 

Kurz bevor Mollaies Film das Festival beschließt, läuft Abbas Kiarostamis letzter, postum fertig gestellter Film »24 frames«. Das Nebeneinander von großen Namen der iranischen Filmgeschichte und Nachwuchs zeugt einmal mehr von all dem, was man verpasst, wenn man das iranische Kino nicht in seiner ganzen Bandbreite wahrnimmt — wofür »Visions of Iran« auch unter neuem Namen eine gute Gelegenheit bleibt.

 

Visions of Iran, Do 31.5.–So 3.6.2018
im Museum Ludwig.

Infos: iranian-filmfestival.com