Modell von Architekt Christian Schaller: das Theater der Keller als »fliegender Bau« auf dem Ebertplatz

Arche Noah im Schattenreich

Das Theater der Keller schließt in einem Jahr —

und hat eine spannende Vision für den Ebertplatz

 

Seit Jahren angekündigt, nun ist es endgültig: Im Juli 2019 wird das 65 Jahre alte, ehrenwerte Theater der Keller in der Südstadt die Tore schließen. Wo es doch gerade wieder in künstlerisch gutes Fahrwasser gelangt war — mit zwei Theaterpreisen, Zuschauerrekorden und einem intelligenten Spielplan neuer Dramatik. Bald schon werden die Eigentümer die Immobilie in Luxuswohnungen verwandeln.

 

Einen neckisch-zynischen Abschlussspielplan hat sich Intendant Heinz S. Keller für die letzte Spielzeit ausgedacht, in der »der Rauswurf« eine rote Linie bildet: Es wird eine fortlaufende »Spezialserie« gezeigt, in der Annette Frier, Navid Kermani und Christine Westermann — Henriette Reker und Günter Wallraff sind angefragt — in einer Art Fernsehshow à la »Zimmer frei« Wohnberechtigungsscheine für wohnungslose Theaterschaffende vergeben werden. Gezeigt wird auch Tschechows »Kirschgarten« — das berühmte Drama über die Monetarisierung eines Familienerbes —, die Romane »Auerhaus« und, ein besonderer Coup, die Uraufführung von Joachim Meyerhoffs Bestseller »Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke«.

 

Doch die noch viel größere Vision verkündete der Theaterleiter am Schluss der Pressekonferenz: Das nun heimatlose Haus soll sich am Ebertplatz neu ansiedeln, für drei Jahre. Eine kleine, rote Box auf Stelzen, in architektonischem Fachjargon ein »fliegender Bau« und daher vergleichsweise genehmigungsarm, soll den Problemplatz mit Kultur und Soziokultur beleben. Im oberen Teil soll das neue Theater der Keller mit 120 Plätzen ein temporäres Zuhause finden, im unteren eine Freiluftbühne, offen für jeden, der dort spielen will, so, wie es auch in den jetzigen Planungen der Stadt angedacht ist. Gebaut würde der Kubus aus Holz, für Strom und Wasser könne man bei den darunter liegenden Galerien andocken. Keller träumt von Synergieeffekten mit den ansässigen Künstlern und Galerien, mit der nahen Jazz House Schule und der Musikhochschule: »Es wäre das erste Mal, dass eine No-Go-Area zurückerobert und zum Kulturort gemacht wird.« Für Keller wären mit seiner Vision »drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen«: eine Belebung und Entkriminalisierung des Platzes, eine Heimatlösung für das Theater, während es in Ruhe eine neue Spielstätte suchen könnte — sowie eine überfällige Vernetzung Kölner Kulturinitiativen. 

 

Ebenfalls vollauf begeistert von der Idee ist der renommierte Architekt Christian Schaller, seit rund 15 Jahren in der Causa Ebertplatz engagiert. Er sitzt mit seinem Büro in der angrenzenden Sudermannstraße und hat die ersten Entwürfe der roten Box aus Holz unentgeltlich gezeichnet. Auf 620.000 Euro schätzt er die entstehenden  Baukosten, dazu kämen rund 200.000 Euro für Baunebenkosten und technische Ausstattung — die allerdings auch geleast bzw. aus den Beständen des Theaters entnommen werden könnten. In rund drei bis höchstens fünf Monaten könnte die Box stehen. Schaller spricht von einem »geschlossenen prägnanten Körper von circa 20 Meter Länge, 14 Meter Breite und 8,50 Meter Höhe«, mit zugespitztem Bug und aufsteigendem Heck, für Keller eine »Arche Noah im Schattenreich des Ebertplatz«. Der Bau würde die Brüstung der Ebertplatzpassage überbrücken, in lichten fünf Metern Höhe, so dass der Platz nicht verdunkelt würde — und in jedem Fall wäre es auch kombinierbar mit der von Schaller energisch erträumten Verlängerung des Eigelsteinplatzes, wenn der Theodor-Heuss-Ring an dieser Stelle für den Straßenverkehr geschlossen würde, laut Schaller problemlos machbar.

 

Es wäre eine urbane Revolution, zumal in Köln. Während sich die Schauspielhaus- und Opernbaustelle über mehr als ein Jahrzehnt mit explodierenden Kosten und Zeiträumen herumschlagen, gelänge es einem kleinen freien Theater, in Windeseile eine der größten Kölner Problemzonen zu einem neuen Zentrum des öffentlichen Lebens zu verwandeln. 

 

Keller und Schaller ist dennoch wichtig zu betonen, dass der »fliegende Bau« provisorisch wäre, das von der Stadt gerade angelaufene partizipative Verfahren zur Zukunft des Ebertplatzes solle mit dem Plan nicht torpediert werden. Schön klingt er in jedem Fall, mit Ulrich Wackerhagen (FDP) und Ralph Elster (CDU) sind wichtige kulturpolitische Sprecher aktiv dafür, auch Gisela Stahlhofen (Die Linke), Brigitta von Bülow (Grüne) und Klaus Bülow (SPD) zeigen sich aufgeschlossen. Keller ist sich sicher: »Wir müssen einfach mal anfangen und machen, Sponsoren werden sich finden.«

 

Dennoch scheint unwahrscheinlich, dass die Mühlen der Verwaltung schnell genug laufenwerden, um bereits für den Frühsommer 2019 den Startschuss zu geben. Keller ist dennoch optimistisch: »Auch das Provisorium des blauen Musical-Zelts wurde schnell durchgewunken.« Dass es seit achtzehn Jahren zugleich zu einer langlebigen Kölner Institution geworden ist, das wirkt für ihn dabei noch zusätzlich motivierend.