Wenigstens hier wächst Gras über die Sache: Vorgarten der Stadtwerke-Zentrale am Parkgürtel, Foto: Manfred Wegener

Kraus aus der Krise

Nach dem geplatzten Stadtwerke-Deal ist die Politik tief zerstritten. OB Reker verliert den Rückhalt

 

In Köln ist am 9. Juli der Sozialismus eingeführt worden — zumindest laut Kölner CDU. »Die Arbeitnehmer haben aus ihrem Mitbestimmungsrecht ein Bestimmungsrecht abgeleitet und damit die Führung im Konzern übernommen«, so Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz. Was war passiert? Der Aufsichtsrat der Stadtwerke Köln (SWK) hatte den Arbeitnehmervertreter Harald Kraus zum Vorsitzenden gewählt. Üblicherweise geht der Vorsitz an einen Vertreter des Anteilseigners, der Stadt Köln, vertreten durch Mitglieder der Ratsfraktionen.

 

Doch SPD und Linke im Aufsichtsrat hatten mit den Arbeitnehmervertretern eine Mehrheit gegen CDU, Grüne und FDP gebildet. Die Jamaika-Parteien wollten Oberbürgermeisterin Reker zur Vorsitzenden machen — so wie sie es im Rat der Stadt beschlossen hatten. Gewählt wird der Vorsitzende jedoch im Aufsichtsrat der SWK. Und dort konnten FDP, Grüne und CDU keine Mehrheit organisieren.

Die Neuwahl war nötig geworden, weil der bisherige Vorsitzende, Ex-SPD-Fraktionschef Martin Börschel, in Folge einer Affäre zurücktrat: Er hatte mit CDU-Chef Bernd Petelkau, Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank und zwei Arbeitnehmervertretern — darunter Harald Kraus — ausgekungelt, dass ein neuer hauptamtlicher Geschäftsführerposten bei den SWK eingerichtet werden solle, der sogleich mit Börschel besetzt werde — ohne Ausschreibung.

 

Seit dem Skandal fordern zwar alle einhellig mehr Transparenz. Öffentlich darüber aufzuklären, was der geplante Deal umfasste, will aber niemand. Was hätten CDU und Grüne für ihr Entgegenkommen erhalten? Es geht um die Besetzung einflussreicher Stellen in Verwaltung und kommunalen Unternehmen. CDU, Grüne und FDP sehen es nun als schlechtes Zeichen, dass ausgerechnet Harald Kraus, der an dem Börschel-Deal beteiligt war, den Vorsitz im Aufsichtsrat übernimmt. 

 

SPD und Linke aber wollen Reker verhindern, weil sie wiederum die Rolle der OB in der Affäre nicht geklärt sehen. Zwar stoppte Reker den Deal im letzten Mo--ment, doch lancierte Börschel Gerüchte, Reker sei zuvor informiert gewesen.

 

Reker zeigte sich entsprechend »irritiert« über die Wahl Kraus‘. »Ich weiß, dass es immer wieder Rückschläge geben kann, wenn man alte Strukturen aufbrechen will«, so Reker bei einem Pressetermin am selben Tag. Nach einer Minute beendete sie ihr Statement. Dass Reker so schmallippig war, hatte einen Grund: Zehn Tage zuvor war ihre Wahl schon einmal gescheitert, damals vertagte sich der Aufsichtsrat ergebnislos. 

 

Nach dieser ersten Schlappe erwähnte Reker ein Rechtsgutachten, das sie in Auftrag gegeben hatte. Darin steht, dass ein »hohes strafrechtliches Risiko« bestanden hätte, wenn der SWK-Aufsichtsrat einen hauptamtlichen Geschäftsführer installiert und ihn zugleich mit Börschel besetzt hätte. Kraus und die anderen Arbeitnehmervertreter werten dies als Verleumdung. »Ich kann mir nicht vorstellen, auf einer solchen Ebene mit der Oberbürgermeisterin im Aufsichtsrat vertrauensvoll zusammenzuarbeiten«, erklärte Kraus. Und so kam es dann auch. 

 

Kraus‘ Wahl macht die Gräben in der Kölner Politik noch tiefer. Die CDU tobt, nennt den Vorgang »skandalös« und behält sich rechtliche Schritte vor. Die Gewerkschaft Verdi, die die Arbeitnehmer bei den Stadtwerken vertritt, warf CDU, Grünen und FDP wiederum vor, einen »massiven Konflikt« erzeugt zu haben, »den wir sehr bedauern«. Auch Jörg Detjen, als Fraktionschef der Linken im Aufsichtsrat, verteidigt die Arbeitnehmervertreter. »Mitbestimmung funktioniert so nicht«, sagt er zur gescheiterten Wahl Rekers. Er war mit Reker im Rat aneinandergeraten, als sie Auskunft zu den Gesprächen mit Börschel verweigerte. Die Wahl Kraus‘ deutet Detjen so: Die Arbeitnehmervertreter hätten aus ihrer Rolle beim Stadtwerke-Deal gelernt — und jetzt Verantwortung übernommen.

 

Bernd Petelkau (CDU) und Jörg Frank (Grüne) hatten nach Bekannt--werden des Deals ihr Aufsichtsratsmandat niedergelegt. Bei der CDU ist man danach zur Tagesordnung übergegangen, offenbar, weil sich niemand mit dem mächtigen Partei- und Fraktionschef Petelkau anlegen mag. Die Grünen versuchen sich in Aufklärung, warum sie sich auf einen Deal eingelassen haben, der gegen ihre Grundsätze verstieß. 

 

Allerdings betont Jörg Frank in einem internen Schreiben, wie wichtig es sei, dass in kommunaler Unternehmen auch Personen sitzen, die grüne Politik umsetzen. »Auch noch so sinnvolle Ratsbeschlüsse reichen dafür nicht«, heißt es in dem Papier. Entscheidend sei letztlich, »wie die Geschäftsführungen und Vorstände handeln und die politisch beschlossenen Vorgaben und Ziele auch umsetzen.« 

 

Dass der Deal mit Börschel und Petelkau falsch war, betont Frank auch. Er legte in der Folge neben seinem Aufsichtsratsmandat auch die Fraktionsgeschäftsführung nieder. Im SWK-Aufsichtsrat hat nun die ehemalige Düsseldorfer Regierungspräsidentin Anne Lütkes seinen Platz übernommen, sie gilt als Reker-Vertraute. Franks Stelle als Fraktionsgeschäftsführer ist derzeit ausgeschrieben. Dass sich Martin Börschel darauf bewirbt, gilt allerdings als ausgeschlossen.