45 Jahre Artothek

Sharing Economy, die gemeinschaft-liche Nutzung von Gütern, boomt seit Jahren auf digitalen Plattformen. Dass man auch die eigenen Wohn- und Arbeitsräume mit geliehenen Kunstwerken gestalten kann, wissen allerdings eher We-nige. Dabei feiert das Prinzip »Kunst -leihen statt kaufen« im Rheinland gerade ein halbrundes Jubiläum: Seit 1973 können die Mitglieder der Kölner artothek aus einem Bestand von über 1.400 Werken wählen, was ihren Alltag für einige Wochen ästhetisch bereichern soll: etwa die legendären Schwarzaufnahmen von Wassertürmen, die das Düsseldorfer Fotografenpaar Bernd und Hilla Becher in den 70er Jahren machte, eine Zeichnung von Rosemarie Trockel oder Cosima von Bonins monumentales Stoffobjekt »Peanuts Depression 5« (2014). Alles Stücke von musealem Rang, mit denen man sogar Kunstprofis neidisch machen kann. 

 

Zum Jubiläum werden die Be-stände aus dem Depot geholt und an den Wänden der artothek im Stil einer Petersburger Hängung ausgebreitet. Was gefällt, kann sofort geliehen werden und wird durch ein anderes Exponat ersetzt, sodass sich das Bild der Ausstellung dauernd verändert — wie die Sammlung der artothek selbst, die durch Ankäufe und gelegentliche Schenkungen ständig wächst und sich aktualisiert. 

 

Die Idee, Kunst zu verleihen, wie Bibliotheken Bücher verleihen, ist schon älter. An Zugkraft gewann sie seit dem Ende der 60er Jahre, wie aktuell auch die Ausstellung »Kunst auf Zeit — Zeit für Kunst« im Deutzer Landeshaus des LVR zeigt, die neun Artotheken aus Nordrhein-Westfalen vorstellt. Kunst sollte allen zugänglich werden, günstige Auflagenwerke waren ein Einstieg in eine erschwingliche Sammeltätig-keit. Mit der Kölner artothek schuf der damalige Direktor der Stadt-bücherei Horst-Johannes Tümmers die Möglichkeit, sich mit lokaler wie internationaler Kunst erst einmal auf Zeit zu beschäftigen. Vielleicht wird ja nach einigen Wochen mehr daraus. Auf einem Siebdruck von Robert Barry liest man, auf monochromen Hintergrund, sparsam ver-teilte Wörter, darunter: -»WITHOUT YOU« — »NOT ENOUGH«.