»Wie wir miteinander sprechen«

Wohin geht die Reise, Frau Dietrich? Ein Gespräch mit

der neuen Direktorin des Kölnischen Kunstvereins

Seit 1. Juli ist Nikola Dietrich im Amt und begrüßt gleich am ersten Wochenende als Gastgeberin die Aussteller und Besucher der Cologne Art Book Fair, die erstmals im Kölnischen Kunstverein stattfindet. Ihr eigenes Programm eröffnet sie Anfang September mit einer Ausstellung des in New York lebenden Kanadiers Julien Ceccaldi. Dietrich folgt auf Moritz Wesseler, der das Haus seit 2013 geführt und vor allem auf Einzelschauen von internationalen Positionen und Kunstmarktlieblingen gesetzt hatte.

 

Wir haben die neue Direktorin in ihrer ersten Arbeitswoche im Büro besucht. Im Zwischengeschoss von Riphahns »Brücke«, über der Ausstellungshalle im Erdgeschoss, arbeitet sie in einem minimalistisch eingerichteten Büro mit viel Platz für Bücher in den noch leeren Regalen. Für Kaffee ist es zu heiß, Wasser gibt es reichlich.

 

 

Frau Dietrich, Sie haben zuletzt als freie Kuratorin und Autorin gearbeitet. Was waren Ihre letzten Projekte? Ganz aktuell habe ich eine Gruppenausstellung für eine Institution auf Tinos in Griechenland kuratiert, in der es darum geht, wie sich Sprache in den unterschiedlichen künstlerischen Medien niederschlägt. Wie wir miteinander sprechen und kommunizieren über verschiedene Hintergründe und Orte hinweg. Die letzten Jahre habe ich das Berliner Kunstmagazin Starship redaktionell betreut, zusammen mit Henrik Olesen und drei weiteren Herausgebern, wovon ich die einzige Nicht-Künstlerin bin.

 

 

Gibt es ein Thema oder eine Richtung, die Sie bei Ihrer kuratorischen Arbeit verfolgen? Mir liegt es sehr am Herzen, genauso monografisch angelegte wie länger recherchierte Überblicksausstellungen machen zu können — da bin ich vielleicht durch die Herkunft aus dem Museum geprägt — wie auch Projekte von jungen Kunstschaffenden, die auf die Produktion angelegt sind, die experimentell und mutig sein können und sich nicht auf einen schieren Marktwert reduzieren lassen. Da sehe ich die Aufgabe und den Reiz eines Kunstvereins.

 

 

Was haben Sie vor im Kunstverein? Am 7. September eröffnen wir mit Julien Ceccaldi, es wird seine erste größere institutionelle Ausstellung überhaupt. Er ist Maler und Zeichner, visuell und erzählerisch an japanische Manga angelehnt. Ein umfassendes Filmprogramm, eine Live-Lesung am Eröffnungsabend und Vorträge begleiten die Ausstellung. Die Eröffnung fällt zusammen mit DC Open und Okey Dokey, mit denen wir hier im Anschluss zusammenkommen werden.

 

 

Was sind Ihre mittelfristigen Ziele für den Kunstverein? Ich möchte an lokales Kunstschaffen anknüpfen, zum Beispiel die KHM, Düsseldorf und das Umland einbeziehen, aber genauso wichtig ist es mir, das Internationale lokal zu verankern, so dass es eine gegenseitige Verzahnung gibt. Man kann hier natürlich von der bedeutenden Geschichte des Kunstvereins profitieren, wie auch von Köln als Kunststadt. Ich möchte wirklich ein sehr abwechslungsreiches Programm gestalten und in die Vollen greifen — von klassischen Ausstellungsformaten bis zu eher Guerilla-artigen Interventionen.

 

 

Wie nehmen Sie die Kunstszene im Rheinland von außen wahr? Hier passiert irrsinnig viel, es gibt unheimlich viele Räume, auch jüngere. Mit dem Blick aus Berlin, wo gerade viele experimentierfreudigere Räume oder jüngere Galerien wieder schließen, habe ich das Gefühl, hier geht es wieder in eine andere Richtung. Das tut unser aller Arbeit sicherlich gut — dass man sich wieder einen Freiraum erkämpft. 

 

 

Wo sehen Sie die Aufgabe von Kunst oder von Ausstellungen, wenn sie überhaupt eine Aufgabe zu erfüllen haben? Kunst ist immer dazu da, zum Nachdenken anzuregen. Selbst wenn ich hier nicht nur politische Kunst zeigen werde, ist die Kunst, die mich interessiert, durchaus politisch ausgerichtet. Man sieht es ihr vielleicht nicht unbedingt an, aber sie zeigt sich politisch. Alles andere wäre unscheinbar. Ich sehe die Kunst eher wie eine Verlängerung des Lebens der Künstler und nicht nur wie eine Illustration dessen. Eine große Aufgabe der Kunstvereine ist natürlich Vermittlung, aber das heißt nicht, dass man alles sofort verstehen muss, Kunst kann auch erstmal nur Fragezeichen provozieren oder Probleme aufwerfen. Der Kunstverein ist ein Ort der Produktion, es muss keine festgeschriebene Geschichte geben wie im Museum, sondern Geschichte kann sich hier entwickeln — und geht vielleicht auch nach der Ausstellung in einem anderen Kontext weiter. 

 

 

Worauf freuen Sie sich am meisten? Ich freue mich sehr darauf, wieder in einem Team zu arbeiten. Darauf, Künstlerinnen und Künstler einen Ort offerieren zu können und auf die luxuriöse Möglichkeit, Ausstellungen auszuarbeiten, die mir schon seit längerem ein Anliegen sind. Oder ganz neue Konzepte zu entwickeln. Der Kölnische Kunstverein ist ein besonders tolles Haus — mit dem Kino und der Ausstellungshalle und dem umwerfenden Riphahnsaal, wo man in verschiedenen Formaten agieren kann. Und ich freue mich jetzt darauf, die verschiedenen Künstler hier kennenzulernen und sie bald in ihren Ateliers zu besuchen!

 

 

Kölnischer Kunstverein, Hahnenstraße 6, Start der Herbstsaison mit Julien -Ceccaldi, 8.9.–4.11., Eröffnung 7.9.,
Info zu Institution, Mitgliedschaft und Programm auf koelnischerkunstverein.de

 

Nikola Dietrich (*1972) hat Kunstgeschichte, Literatur und Journalismus studiert und war Kuratorin am Portikus in Frankfurt, bevor sie 2008 die Leitung des Museum für Gegenwartskunst in Basel übernahm. Seit 2014 war sie als freie Kuratorin in Berlin tätig. Sie hat einen Sohn und wohnt seit Juli in Köln.