Nur noch in der Erinnerung

Die Hamburgerin Helena Hauff gehört zu den prägenden Technoprotagonisten unserer Tage. Nun veröffentlicht sie ihr neues Album »Qualm«

Tracktitel wie »Fag Butts In The Fire Bucket« oder »The Smell Of Suds And Steel« deuten es an, Kompromisse darf sich niemand von Helena Hauff erwarten. Generell nicht und auch nicht auf ihrem dritten Album »Qualm«, auf dem sich diese beiden Stücke sowie zehn weitere ebenso markant-narrativ betitelte befinden. War der Vor-gänger »Gift« »in Anführungszeichen poppiger« ausgefallen, wie Hauff es ausdrückt und womit sie den vermehrten Einsatz von Synthesizern meint, kehrt sie mit »Qualm« zurück zum radikalen Acid-Sound der 2014 erschienenen ersten Maxis »Return to Disorder« und »Shatter Cone«. Zwölf Lehrstücke im Einsatz des klassischen Electro- und Techno-Set-ups aus den Roland Rhythm Composern TR-707 und TR-808, dem Roland Analogsynthesizer TB-303 sowie der Akai MPC Sampling Workstation. In diese Maschinen sei sie verliebt, gesteht Helena Hauff lachend, warum sich nicht mal als Nerd outen?! 

 

Überhaupt spricht sie gerne über ihre Produktionen und DJ-Sets. Denn im Gegensatz zur Welt der Sozialen Medien, die sie konsequent gnoriert (es gibt weder einen offiziellen Facebook-Account noch Instagram- oder Twitter-Auftritte), da sie schlicht nicht wüsste, was sie da von Interesse mit der Welt teilen solle, freut sich sich geradezu auf Interviews. »Wenn sich jemand die Mühe gibt und sich mit mir zusammensetzt, um mich zu interviewen, dann fühlt sich das auch nicht so komisch an, mich zu präsentieren und was von mir zu erzählen.« 

 

Einzig Fragen, die sie dazu bringen sollen, sich über andere weibliche DJs auszulassen, ecken bei ihr massiv an: »Da werden Äpfel mit Beeren verglichen. Die eine macht HipHop, die andere Techno und die dritte macht was weiß ich was — und die ist die geilste von den dreien. Aber es hat überhaupt nichts miteinander zu tun.« Zumal diese Fragen noch mit irgendwas mit DJane eingeleitet würden, einem Wort, das sie regelrecht »hasst«.

 

Während sie das erzählt, befinden wir uns an einer leeren Verkehrs-kreuzung im Industriegebiet von Barcelona, nur wenige hundert Me-ter Luftlinie von jenem Areal entfernt, wo die abendlichen Ver-anstaltungen des Sónar Festivals stattfinden. In wenigen Stunden wird Helena Hauff die Hauptbühne bespielen und vor 3000 Besucherinnen auflegen. Ein weiter Weg von der kleinen Hütte am Hamburger Ha-fen, wo ihre Karriere einst begon-nen hat — dem Golden Pudel Club. Der Pudel war zuletzt oft mit negativen Nachrichten in der Presse. Der »tolle Ort der Freiheit«, so Hauff, war schon so gut wie erledigt. Zunächst stritten sich die Eigentümer Wolf Richter und Rocko Schamoni bis vor das Hamburger Langericht über Ausrichtung und Tagesgeschäft des Ladens. Und dann kam es in der Nacht zum 14. Februar 2016 am Fisch-markt 27 zu jenem fatalen Brand, dessen genauere Umstände bis heute ungeklärt sind. Die Angst sei sehr groß gewesen, dass es aufhört, sagt Hauff. Schließlich fühle sie sich hier nicht nur als Besucherin aufgehoben, im Pudel war es, wo sie zu ihrer Handschrift als DJ gefunden hat.

 

Für sie gab es kein Zögern, dass sie nach der Wiedereröffnung im vergangenen August zurück an die Plattenspieler im Pudel kehren wür-de. Einzig die Frequenz ist nicht mehr ganz so hoch wie einst, der starken internationalen Nach-frage nach ihrer Person ge-schuldet — an die hundert Sets spielt Hauff derzeit im Jahr und bereist dabei jeden Kontinent. Direkt nach dem Sónar geht es nach Indien, von dort weiter in die USA und im Anschluss nach Italien. 

 

Auf die Frage, wie sie ihren Sound beschreibe, antwortete Helena Hauff bei einem früheren Treffen: »Rough, schmutzig und ein bisschen kalt.« Während andere auf dem Weg der zunehmenden Popula-rität gewisse Kompromisse eingehen, gelten bei ihr all diese Attribute noch. Ihre Produktionen und Sets haben kein bisschen von ihrer klaustrophobischen Nervo-sität und Hysterie verloren, im Gegenteil, Hauff ist, gestützt durch die gewachsene Souveränität als DJ und Produzentin, noch radikaler geworden. Erhalten hat sie sich dabei das Hadern mit den Ergebnissen ihrer Studioaufenthalte. Gab sie bei »Gift« zu Protokol, dass sie ihre Musik nur so lange mag, bis diese erscheint und danach nicht mehr, so hinterfragt sie aktuell, warum sie überhaupt produziere und ob es vielleicht sein könnte, dass sie bereits alle potentiellen Ideen ausgelebt habe. Letztlich ist dieses sympathische Hadern nur ein Zeichen für die hohen Ansprüche, die Helena Hauff an sich stellt — und denen sie, man muss es so deutlich ausdrücken, mehr als gerecht wird. 

 

Einige Stunden später können sich die Besucher des Sónar Festivals davon am eigenen Körper überzeugen. Während langsam die Sonne über dem Floor aufgeht, wird die Musik immer düsterer und nervöser, die Basslines zucken und flackern. Helena Hauff selbst ist während des gesamten Sets in Bewegung, die Beine und der Oberkörper zappeln nervös im Rhythmus der Stücke, einzig die Zigarette glimmt ruhig und beständig in ihrer Hand. Man spürt, wie sehr sie das Auflegen liebt, diese »lustige Kunstform, die nur für den Moment da ist — einen Moment, den man mit ganz vielen Menschen zusammen erlebt und der dann weg ist und nur noch in der Erinnrung aller anwesenden Menschen stattfindet. Das finde ich schön.«