Da geht noch was: Kameraturm in Köln, Foto: Manfred Wegener

Camera obscura

Ein Kölner klagt gegen Videoüberwachung von Straßen und Plätzen. Die Polizei will noch mehr filmen

Es ist Anfang Juli, wie jedes Jahr zieht die CSD-Parade durch die Innenstadt — von der Deutzer Brücke über Neumarkt und Friesenwall bis vor den Hauptbahnhof. 170 Trucks und Fußgruppen gestalten den Umzug, am Straßenrand stehen eine Million Besucherinnen und Besucher. Wenn es nach dem Willen der Kölner Polizei geht, wird die Parade in Zukunft großflächig aufgezeichnet. Für 2019 plant sie, Köln mit weiteren hochauflösenden Kameras auszustatten. Dann soll auch der Neumarkt videoüberwacht werden – Hauptbahnhof sowie die Ringe am Rudolfplatz, in der Nähe des »Bermudadreiecks«, sind es jetzt schon.

 

»Ich muss jeden Tag in die Videoüberwachung hineingehen, sowohl privat als auch beruflich. Ich fühle mich dadurch beobachtet«, sagt Torben Strausdat. Er hat vor dem Verwaltungsgericht Köln Klage gegen die schon bestehende Videoüberwachung an den Ringen, am Dom und am Hauptbahnhof eingelegt. Außerdem soll das Gericht die Ausweitung der Videoüberwachung untersagen. Ansonsten wird es einem unmöglich gemacht, die Innenstadt zu durchqueren, ohne jemals in den Fokus einer Kamera zu gelangen.« Das verletze nicht nur sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so Strausdat, sondern gefährde zudem die Versammlungsfreiheit. Das NRW-Oberverwaltungsgericht hat 2010 festgestellt, dass eine anlasslose Videoüberwachung von Versammlungen illegal ist. Falls die Polizei ihre Pläne umsetze, würden sieben Plätze in der Innenstadt videoüberwacht, so Strausdat: »Dann bleiben noch drei Plätze übrig, auf denen wir Kundgebungen abhalten können, ohne überwacht zu werden.« 

 

Dabei ist umstritten, wie effektiv Videoüberwachung überhaupt ist. Im April, als Polizeipräsident Uwe Jacob die Pläne für eine Ausweitung vorstellte, sagte er, dass im Umfeld des Doms die Kriminalität um 27 Prozent zurückgegangen sei — aufgrund der Kameras dort. Das NRW-Innenministerium hat die Videoüberwachung dieses Jahr in verschiedenen Großstädten, darunter auch Köln, durch ein unabhängiges Institut evaluieren lassen. Dabei kam für Köln heraus, dass sie weder einen Effekt auf den Rückgang von Straßenkriminalität hatte noch auf die Aufklärungsquote der Polizei. 

 

In der geplanten Novelle des Polizeigesetzes NRW, die nach der Sommerpause verabschiedet werden soll, sind aber dennoch neue Befugnisse vorgesehen. »Die Möglichkeiten der polizeilichen Videoüberwachung« müssten »ausgeweitet werden«, heißt es dort. Bislang darf ein Ort erst dann videoüberwacht werden, wenn dort viele Verbrechen begangen werden. Mit der Novelle würde es ausreichen, wenn die Polizei eine Prognose abgibt, dass dort Straftaten geschehen könnten. »Wir wollten die Klage unbedingt vor Verschärfung des Polizeigesetzes einreichen«, sagt Torben Strausdat. »Unsere Botschaft ist: Haltet euch an die Grundrechte!«