Erst der Trenchcoat macht den Autor zum Autor: Olivier Guez

Lumpen aus Deutschland

Olivier Guez hat einen Roman über Josef Mengele, den »Todesengel« von Auschwitz geschrieben. Jetzt stellt er ihn in Köln vor

Die Hauptfigur in Olivier Guez’ Bestseller lernt man 1949 kurz vor der Ankunft seines Schiffs im südamerikanischen Exil kennen. Sie ist überzeugter Vertreter eines Deutschlands, das für unvergleichlich viel Not und Vertreibung verantwortlich ist. Der Romantitel »Das Verschwinden des Josef Mengele« verrät, wer dieser Bootsflüchtling ist: der »Todesengel« des Vernichtungslagers Auschwitz. Unter falschem Namen befindet sich Mengele auf der Flucht vor den Alliierten.

 

Als berüchtigter »Selektionsarzt« und wegen seiner menschenverachtenden Experimente hat er unzählige KZ-Insassen auf dem Gewissen. Der 1974 geborene französische Autor Guez macht einen Menschen aus der historischen Figur, doch er verharmlost seine Verbrechen nicht. Mengele ist außergewöhnlich stolz auf seine Taten, die »Gespenster« von Auschwitz belasten sein Gewissen nicht. Er hat lediglich Angst, leibhaftige Opfer könnten ihn auf der Straße wiedererkennen.

 

Leichthändig, aber präzise schildert Guez in seinem Roman, dass das allmähliche Verschwinden dieses Massenmörders mit dem Verdrängungsprozess in Nachkriegsdeutschland einhergeht. Nach dem Kollaps des Dritten Reichs fliehen die führenden Nazis entweder in den Schatten der neuen Demokratie oder ins Ausland. Warum es Mengele ausgerechnet nach Argentinien verschlägt? Guez porträtiert den damals amtierenden Präsidenten Juan Péron als Despoten, der Faschisten aus aller Welt recycelt: ein Lumpensammler im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Die meisten dieser Lumpen sind Deutsche. Neben vielen anderen führenden Nationalsozialisten trifft Mengele im Exil Adolf Eichmann. Ihre gegenseitige Abneigung mag hier menschlich und banal erscheinen, ihr Fanatismus wirkt dagegen monströs. Im Gegensatz zu Eichmann wird Mengele niemals gefasst und vor Gericht gestellt. Er kann sogar eine Zeitlang unter Klarnamen Geschäfte machen und nach Deutschland reisen. Beängstigend an Guez’ Roman ist neben den historischen Details aber vor allem die Gegenwart dieser Vergangenheit. »Die Deutschen setzen alles daran, mit ihrer Kollektivschuld ihre Traditionen zu zerstören«, jammert Mengele, während er durch Buenos Aires flaniert. Eine Sichtweise, mit der er in Deutschland dieser Tage alles andere als alleine wäre.

 

StadtRevue präsentiert: 10.9. Institut Français, 19.30 Uhr,

 

Olivier Guez: »Das Verschwinden des Josef Mengele« Aufbau, 224 S., 20 Euro