Ein deliranter Spaß

Die Freunde des italienischen Genrefilms ­huldigen beim 9. Deliria Över Köln wieder dem schönen Schundkino

Vor Facebook und Twitter gab es Internetforen. Jede Menge, zu jedem erdenklichen Thema. Die Gesprächs- und Sozialkultur dort war eine andere: kein hektisches Gewusel, bei dem Recht hat, wer am lautesten schreit, sondern kleine Expertenrunden, die sich Zeit ließen für ausführliche, oft seitenlange Diskussionen. Einige Foren haben nicht nur überlebt, sondern blühen regelrecht auf. Wie zum Beispiel deliria-italiano.de - eine Gemeinschaft von Fans des italienischen Genrekinos, die dieses Jahr bereits zum 9. Mal ihre Online-Aktivitäten ins sogenannte echte Leben verlängern. Beim Forentreffen »Deliria Över Köln« kommen auch Nicht-Forenmitglieder in den Genuss eines kleinen, aber feinen Filmprogramms in den Lichtspielen Kalk.

 

Vier Filme sind zu sehen, allesamt vorgeführt von historischen 35mm-Filmkopien, die in den 1960er- und 1970er-Jahren in deutschen Kinos zu sehen waren. Schon die Existenz dieser Verleihkopien zeigt: Das italienische Kino insbesondere der 1970er war keineswegs eine provinzielle Angelegenheit, sondern zielte auf den internationalen Markt. Das spiegelt sich auch in der Produktionspraxis. Zum Beispiel der Eröffnungsfilm: »Invasion der Zombies« ist eine spanisch-italienische Koproduktion, der Regisseur Jorge Grau ist ebenfalls Spanier, in einer Nebenrolle ist der Amerikaner George Kennedy zu sehen und Schauplatz ist die britische Provinz, die, man ahnt es, von Zombies überrannt wird. 

 

Auch der zweite Film des ersten Tages ist eine spanisch-italienische Koproduktion: In »Zeig mir, wie man’s macht« hält die gebürtige Indonesierin Laura Gemser, Königin des Euroerotikkinos unter der Regie von José Ramón Larraz Hof. Tags darauf läuft zunächst ein »Überraschungswestern« — also ein Beispiel jenes Genres, das in den 1960ern zum ersten Exportschlager der italienischen Filmindustrie wurde und heute sehr zu Unrecht auf eine Handvoll Klassiker von Sergio Leone und Sergio Corbucci reduziert wird. Wenn der Italowestern den Anfang des internationalen Italobooms markiert, dann repräsentieren Filme wie »Thunder« von Fabrizio de Angelis sein Ende: In den 1980er Jahren kämpften die Produzenten verzweifelt gegen schwindende Gewinnmargen an — unter anderem mit immer unverschämteren (und immer deliranteren) Kopien vor allem amerikanischer Erfolgsformate. »Thunder«, der Abschlussfilm der »Deliria Över Köln«-Reihe, ist ohne jeden Zweifel ein »Rambo«-Wiedergänger. Gedreht im Monument Valley und mit Seewolf Raimund Harmstorf als Bösewicht. Kino der Attraktionen.