Zornig frisch und wahn­witzig widersprüchlich

Filmgeschichte auf Kölner Leinwänden

Wenn man will, kann man diesen Monat einen Crashkurs machen durch den Stilwandel des Nachkriegskinos: Vom Realismus über verschiedene Formen der Entgrenzung, die alle ein gewisses surreales Etwas haben, hin zu einem Filmschaffen geboren aus der Referenz und getragen von der Reverenz, das einen die Wirklichkeit noch einmal neu entdecken ließ. Juan Antonio Bardems Geschichte einer Fahrerflucht und deren Folgen, »Der Tod eines Radfahrers«(1955), war seinerzeit eine Sensation — ein Stück kritisch-realistisches, darin subversives Kino aus Franco-Spanien! —, galt für gut eine Dekade als cinephile de rigeur, wurde danach aber, wie überhaupt Bardem, als wenig hilfreich verworfen; und alldieweil le auteur sich als menschlich unangenehm wie künstlerisch stalinistisch-staubig erwies, hat »Der Tod eines Radfahrers« nichts verloren von seiner zornigen Frische.

 

Matsumoto Toshios Transvestiten-Ödipus gestaltet als wahnwitziger Mix aus Spiel- und Dokumentarfilm, »Funeral Parade Of Roses« (1969), ähnlich Fernando Birris vom Genie Terrence Hills animierte Totalkinoorgie, »ORG« (1978), streben nach einer Durchwirkung aller Formen und Stile und Genres, an deren Ende ein reines Kino steht. Ein Kino das zugleich reine Gegenwart wie absolute Allegorie ist, in der alle Gegensätze sich auflösen in einem Erfahrungs-hic-et-nunc. Wenn Regisseure wie Bardem mit Werken wie »Der Tod eines Radfahrers« Abbilder gesellschaftlicher Zustände offerieren, also eine Möglichkeit zur Reflektion bieten und dabei Ansagen machen zu politisch-ethischen Fragen, dann geht es Matsumoto, Birri etc. darum, aus dem Chaos der Wirklichkeit zu schöpfen, Widersprüche unbehauen nebeneinander stehen zu lassen — aufzugehen im Sein, egal wie asozial und amoralisch es da auch zugehen mag.

 

Bezeichnend ist, dass es das Kino danach zu einer neuerlichen Klärung der Verhältnisse drängte, inklusive einer Wieder(er)findung der Idee des Genres. Auftritt der japanischen 8mm-Szene der 1970er und 80er, wo so ziemlich jeder ab den 1990ern bedeutende Filmschaffende des Landes seine ersten Talentproben ablieferte. Mehr dazu im nächsten Heft, da die Hachimiri-Reihe zum Zentralwichtigbedeutendsten des CCAA-Kinojahres 2018 gehört! Nur eins schon mal hier: Yamamoto Masashis trotzig-trotzkistische Studie in Gesell-schafts-konsensverweigerung, »Saint Terrorism« (1980), und Suwa Nobuhiros Godard’sche Gangsterfilmschwärmerei, »Hanasareru Gang« (1984), gehören noch zu den gesitteteren Arbeiten dieses Komplexes — und die durchweht schon der zarte Hauch göttlicher Inspiration!