Fair trade

Das Konsumbewusstsein steigt, der faire Handel wächst. Köln wurde für sein vielfältiges Engagement im vergangenen Jahr zur »Hauptstadt des fairen Handels« gekürt. Trotzdem bedient »fair« noch immer eine Nische. Nicht einmal ein halbes Prozent des Umsatzes im deutschen Handel wird mit fairen Waren erwirtschaftet. Die Stadtrevue zeigt auf Extraseiten mit den Schwerpunkten Mode und Essen, wo Einkaufen und Schlemmen in Köln Spaß machen, ohne dass Menschen in fernen Ländern den Preis dafür zahlen. Denn der Weg zu einem gerechteren Welthandel führt auch über den eigenen Geldbeutel.

Fairkleidet euch!

Weniger kaufen, dafür länger tragen: Viele Kölner Fashion-Label bieten Modeliebhabern nachhaltige Alternativen

 

Mal wieder nichts zum Anziehen, obwohl der Kleiderschrank aus allen Nähten platzt? Hier kann der Stilmix der Kölner »Kleiderei« Abhilfe schaffen. In der deutschlandweit einzigen Offline-Filiale des Onlineversands hängen aufwendig bestickte Jeansjacken, lässige 80er-Jahre-Overalls von Yves Saint Laurent oder Blümchenkleider im Hippie-Stil auf hübsch kuratierten Kleiderstangen. Auch Herrenkleidung ist im Sortiment. 2016 eröffnete Lena Schröder die Dependance der Kleiderei in Ehrenfeld. »Wir sind ein Second-Hand-Shop mit der Besonderheit, dass man bei uns Mitglied werden kann«, so Schröder. Das Angebot sei perfekt für Menschen, die gerne viel Abwechslung im Kleiderschrank haben, aber bewusst und nachhaltig konsumieren möchten. Damit trifft sie offenbar einen Nerv: In dem vergangenen sechs Monaten hat sich die Mitgliederzahl fast verdoppelt.

 

Für einen monatlichen Fixbetrag von 25 Euro beziehungsweise 22 Euro für Studierende kann man immer vier Teile gleichzeitig aus dem Sortiment ausleihen. Die Kleiderei funktioniere wie ein »ausgelagerter Kleiderschrank«, so Lena Schröder. Seit Oktober gibt es auch eine Auswahl des Fair-Fashion-Labels Shipsheip in der Kleiderei.

 

Neben dem Laden in Ehrenfeld betreibt Schröder ihr eigenes Label, die Trinkhallen Schickeria. Dafür verwendet sie alte Kleidung und Stoffe aus Überproduktionen, um sie neu zu verbinden. »Es gibt bereits so viele Textilien auf der Welt, die man wiederverwerten kann, dass es gar keine Notwendigkeit dafür gibt, Dinge komplett neu zu produzieren.«

 

Lena Schröder betreibt auch die Modeboutique Todd am Brüsseler Platz, die sich auf Vintage-Mode aus vergangenen Jahrzehnten und Upcycling spezialisiert hat. Auch hier lautet das Motto: Wegwerfen ist out! Wer Kleidungsstücke gemeinschaftlich nutzt, verlängert ihre Lebensdauer.

 

Laut einer Greenpeace-Umfrage wird derzeit jedes fünfte gekaufte Kleidungsstück nie getragen. Doch vielen Kunden wird ein verantwortungsvollerer Umgang mit Ressourcen wichtiger, immer häufiger fragen sie nach den Bedingungen, unter denen die Kleidungsstücke produziert wurden. Der Markt reagiert darauf mit aufsehenerregenden Kampagnen: So recycelte das holländische Designerduo Viktor & Rolf Anfang des Jahres werbewirksam alte Kollektionsteile für den Moderiesen Zalando, und auf der vergangenen Berliner Fashion Week wurden biologisch abbaubare Taschen aus getrockneten Ananasblättern vorgestellt.

 

Solche Marketing-Gags haben die Kölner Modelabels Armedangels und Lanius nicht mehr nötig. Beide Unternehmen zählen zu den Pionieren der Fair-Fashion- Branche und setzen auf ökologische Rohstoffe, faire Arbeitsbedingungen und ein klares Design. Während Armedangels seit 2007 mit lässiger Ready-To-Wear-Mode zu erschwinglichen Preisen ein eher junges Klientel bedient, setzt die Kölner Modedesignerin Claudia Lanius mit ihrem 1999 gegründeten Label auf feminine und elegante Schnitte und zeitlose Entwürfe. Armedangels bietet seine Ware überwiegend im Netz an, Lanius betreibt vier Filialen in Köln. Dort sind unter anderem mit dem »Peta-Approved-Vegan«-Siegel ausgezeichnete Steppjacken oder T-Shirts aus Bio-Baumwolle im Angebot. Lanius arbeitet nur mit Produzenten zusammen, die gute Sozialstandards in ihren Betrieben garantieren. Ausnahmen machen sie nur bei kleinen Familienbetrieben, die sie persönlich regelmäßig besuchen. Auch Armedangels vertritt Fairtrade-Standards. So unterschiedlich die Sortimente beider Labels sind, so ist es ihnen in den vergangenen Jahren doch gelungen, fair produzierte Öko-Mode von ihrem spießigen Image zu befreien.  

 

 

Blinde Flecken auf dem Teller

Jeder Deutsche gibt im Schnitt 15 Euro im Jahr für faire Lebensmittel aus. Die Tendenz ist steigend, aber gerade die Gastronomie tut sich schwer mit fairem Essen

 

Fair gehandelten Lebensmitteln wurde über Jahrzehnte ein Nischendasein beschieden. Allenfalls in den sogenannten Eine-Welt-Läden, die häufig in kirchlichem Kontext agierten, waren Produkte erhältlich, bei denen garantiert wurde: Die Hersteller auf der Südhalbkugel dieser Erde, meist kleinbäuerliche Kooperativen, erhalten angemessene Preise und können so von ihrer Arbeit leben. Doch in den vergangenen Jahren ist einiges in Bewegung geraten. Der Kölner Verein Transfair und andere Organisationen, die Label für Lebensmittel und Produkte vergeben, wie die »World Fair Trade Organization« (WFTO) oder »Fair for Life«, haben in vielfältigen Kampagnen auf die prekäre Situation der Produzenten in Schwellenländern hingewiesen. Zudem hat der Lebensmitteleinzelhandel »fair trade« als Marketinginstrument entdeckt, mit dem er Angebote für eine informierte, nachhaltig agierende Käuferschicht attraktiv machen kann. Ein großer deutscher Discounter will in Kürze z.B. Bananen ausschließlich mit Fairtrade-Siegel anbieten.

 

Doch wie sieht es eigentlich in den Restaurants, Kneipen und Cafés in Köln aus? Stellt man sich dort die Frage, wie die eingesetzten Lebensmittel produziert wurden? Und woran können das Gäste erkennen? Die letzte Frage sollte vermeintlich einfach zu beantworten sein. Doch beim Blick in die Speisekarten und auf die Internetpräsenzen der Gastronomiebetriebe findet sich so gut wie nichts. Das bestätigt auch ein Sprecher der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG): Fair gehandelte Produkte spielen in der Gastronomie so gut wie keine Rolle.

 

Einzig beim Kaffee setzen viele Kölner Gaststätten auf faire Bohnen — und werben damit. Das gilt auch für die hiesigen Kaffeeröster. Van Dyck (Mülheim/Ehrenfeld) beispielsweise verwendet durchweg F.L.O.-zertifizierten (Fairtrade Labelling Organizations International) Rohkaffee. Dies garantiere die »Zahlung von fairen Preisen, sozialverträgliche Arbeitsbedingungen, Sicherung sozialer Rechte, Gleichberechtigung von Frauen, Transparenz, Verantwortung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit«.

 

Transfair als größter deutscher Zertifizierer betreibt auf seiner Website einen »Einkaufs-Finder«, der auch auf entsprechende Angebote in der Gastronomie hinweist. Allerdings handelt es sich auch hierbei fast ausschließlich um Kaffee — und dies vor allem in Tchibo- oder in Starbucks-Filialen. Auf telefonische Nachfrage verweist man immerhin auf »Törtchen Törtchen«. Die Patisserie, die in der Apostelnstraße und in Nippes zwei Cafés betreibt und auch auf dem Düsseldorfer Carlsplatz präsent ist, verwende in der Produktion fair gelabelte Kuvertüre. Auf Nachfrage im Niehler Produktionsbüro wird das bestätigt. Doch handele es sich dabei nur um ein kleines Mosaiksteinchen. Nachhaltiges Wirtschaften habe auch viel mit Regionalität zu tun. So beziehe man etwa Milch von einem Bauernhof aus dem Bergischen Land.

 

Ähnlich sieht man dies in der Rösterei »moxxa.caffè« auf der Aachener Straße und den mit ihr verbundenen Läden wie dem Café im Bauturm, dem Feynsinn, dem »Offenbach am Carlsgarten« oder dem »Ludwig im Museum«. In den biozertifizierten und von Slow Food anerkannten Betrieben gesellt sich zum fairen Rohkaffee selbst angebautes Gemüse, Obst von der eigenen Streuobstwiese und Biofleisch aus dem Kölner Umland. Beworben wird dies mit dem Hinweis auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Produktionsbedingungen und mit gesteigerter Qualität der Lebensmittel. Belastbare Beziehungen zu Bauern und Produzenten seien für beide Seiten von Vorteil. Und doch handelt es sich bei diesen Beispielen um die wenigen Ausnahmen von der Regel.

 

»Herkunft und Produktionsbedingungen der in der Gastronomie verwendeten Lebensmittel spielen in Köln schon eine Rolle — aber zugegebenermaßen keine große«, konstatiert Mathias Johnen, Stellvertretender Geschäftsführer des Branchenverbands Dehoga Köln. Neben Kaffee und Tee, Kakao und Gewürzen verweist auch er auf die immer größere Rolle, die fair gehandelte Bananen spielen. Der Anteil von Südfrüchten am Gesamtumsatz des fairen Handels weist das Forum Fairer Handel bei knapp elf Prozent aus, einen Großteil davon machen Bananen aus.

 

Mit Blick auf die Gastronomie erklärt Johnen, dass für Restaurants nicht nur der Einkauf von fairen Produkten komplizierter sei als der von konventioneller Großmarktware. Aufgrund der höheren Preise ergebe sich auch die Notwendigkeit, anders mit den Kunden zu kommunizieren: »Die ideellen Mehrwerte beim Einsatz solcher Produkte müssen den Gästen auch erläutert werden — und diesen Mehraufwand scheuen viele Betriebe.« Grundsätzlich handele es sich laut Johnen aber beim beispielhaften Fairtrade-Siegel um ein in den Dehoga-Betrieben anerkanntes und verwendetes Label. Allerdings verwendet offenbar kein einziges Kölner Restaurant mit dem Fairtrade-Label versehenen Reis oder Quinoa. Auch faire Gewürze — hier liegt der Marktpreis im konventionellen Handel häufig sogar unter den Produktionskosten — lassen sich in Köln, immerhin Hauptstadt des Fairen Handels 2017, nicht finden.

 

Den breitesten Einsatz von fairen Produkten gibt es an der Universität Köln, die seit Mai dieses Jahres den von Fairtrade vergebenen Titel »Fair Trady University« führt. In den Mensen und Bistros des Studierendenwerks wird schon seit 2012 ausschließlich Fairtrade-Kaffee ausgeschenkt, außerdem im Angebot sind Fairtrade-Kakao und Tee. Seit 2016 sind auch alle verwendeten Bananen aus fairem Handel. Zusätzlich werden im Phil-Bistro und im E-Raum der Universität entsprechende Schokoladen und Bananenchips angeboten.