70 Jahre Vereinsgeschichte: Kritik und Jubel für den FC, Foto: David Baltzer

Der Schatten des Geißbocks

Rainald Grebe hat für das Schauspiel Mythos und Gegenwart des 1. FC Köln besichtigt

Das dramatische Heimspiel des 1. FC Köln gegen Paderborn vor zwei Monaten bildet den dramaturgischen Rahmen des Fußballoratoriums »Effzeh! Effzeh!«. Die Gattungsbezeichnung nimmt Autor und Regisseur Rainald Grebe ernst. Das Ensemble steht in Abendgarderobe vor Mikrofonen und performt eine Reportage. Zwischen der Schilderung der Tore, Flanken und Fouls hört das Publikum un-gewohnte Stimmen. Der Koch in der Luxuslounge gibt genervt Anweisungen, eine Sanitäterin berichtet über Funk, wen sie gerade behandelt. Dazwischen singt ein Chor aus Schauspielschülern und musikalisch sehr begabten Statisten -Hymnen auf den -Effzeh und seine Spieler. Besonders der lange schmerzlich vermisste Ex-und-Jetzt-Wieder-Torjäger Anthony Modeste bekommt einen ergreifenden Abgesang. Am Ende verlor der FC 3:5 gegen die Paderborner. 

 

Zwischen Ironie und Warmherzigkeit schwankt der Humor Grebes, es ist oft unberechenbar, welche Seite die Oberhand gewinnt. Das 22köpfige Ensemble beginnt eine Tanznummer mit rotweißen Puscheln, die zunächst wie eine Parodie auf Cheerleader aussieht. Dann wird die Choreographie immer virtuoser und erlangt schließlich das Format einer großen Musicalnummer wie in einem klassischen Hollywoodfilm — toll und trashig zugleich.

 

Es gibt große Momente in diesem Fußballoratorium. Vor allem wenn die kraftvollen Schauspieler sich mal richtig in Rollen werfen. Nicola Gründel lässt als frustrierte Trainerin eine unfassbare Schimpfkanonade in Richtung Publikum los, die sich in wilde Absurdität steigert. Und Stefko Hanushevksy präsentiert als Stadionsprecher sprachlich virtuos ein abgedrehtes Sponsoring nach dem anderen. Das sind deftige Karikaturen mit Realitätsnähe, bissige Kommentare zur  Kommerzialisierung des Fußballs. 

 

Warmherzig wird Grebe, wenn es um die Fans geht. Vor ihrer Hingabe hat er den größten Respekt. »Effzeh! Effzeh!« ist eine witzige Gratwanderung, eine gebrochene Huldigung an den Fußball mit großer szenischer Fantasie und einem tollen Ensemble. Allerdings ist die Aufführung eine halbe Stunde zu lang geraten. Es wäre besser, wenn Rainald Grebe den Abend auf die Länge eines Fußballspiels mit ausgiebiger Nachspielzeit kürzen könnte. Das wäre auch für die musikalische Dichte zuträglich, denn der auf der Bühne fast dauerpräsente Komponist Jens-Karsten Stoll sorgt mit seinen Arrangements und Untermalungen dafür, dass der Abend nicht nur eine Revue, sondern tatsächlich ein durchgestaltetes Fußballoratorium wird.

 

»Effzeh! Effzeh!«, A + R: Reinald Grebe, 8., 9., 15., 25.12., Depot 2, 20 Uhr