Widows

Steve McQueen (»Twelve Years a Slave«) überrascht mit einem Pulp-Krimi

 

Drum prüfe, wer sich ewig bindet ... Wer sein Herz an Berufsverbrecher verliert, wird, wie die titelgebenden Witwen in Steve McQueens Film, schneller durch den Tod geschieden, als gedacht. Damit nicht genug, erbt man im schlimmsten Falle auch noch die Unterweltschulden des Verstorbenen. So muss Veronica nicht nur den Tod ihres Ehemanns Harry verkraften, sondern steht nun auch beim -kriminellen Stadtrat-Kandidaten Manning in der Kreide, weil Harry ihn bestahl. Die Beute ging in Flammen auf. Der Groll bleibt. Da Manning sich im Wahlkampf mit einem ebenfalls in krumme Dinger verstrickten Vorzeige-Schnösel befindet und Politik ohne dickes Schmiergeldkonto keinen Spaß macht, bleibt Veronica nicht viel Zeit, die Witwen von Harrys Spießgesellen zu mobilisieren und einen lukrativen Coup auszuhecken. Sonst wird Mannings Vollstrecker von der Leine gelassen.

 

Die spannendste Frage, in dem an Spannung nicht armen »Widows«, ist, warum sich Steve McQueen nach seinem Triptychon der Unfrei-heit (»Hunger«, »Shame«, »Twelve Years a Slave«) nun in pulpige Krimi--Gefilde begibt. Überraschend kommt der Wechsel in die wilde Welt der Genre-Reißer — noch überraschender ist aber, dass die Rechnung aufgeht. Mit Schützenhilfe von Drehbuchautorin -Gillian Flynn, die nach »Gone Girl« aufs Neue ihr Händchen für smarte Thrillerkost unter Beweis stellt, orchestriert McQueen einen Neo-Noir von betörender Eleganz.

 

Auch wenn es ihm gelingt, ein ebenso erstklassiges wie vielköpfiges Ensemble kunstvoll durch Flynns Drehbuchlabyrinth zu lotsen, ist der größte Star doch sein Stamm-Kameramann Sean Bobbitt. Er taucht den Chicagoer Crime-Poker in eisiges Licht und gibt dabei mal den Voyeur, mal den stummen Zeugen, mal den neugierigen Schwärmer oder den eingeweihten Komplizen. »Widows« ist zweifellos einer der am besten aussehenden Filme des Jahres.

 

Obwohl das winning team McQueen/Flynn hin und wieder vom Ehrgeiz ergriffen wird, ihre trickreiche und erlesene Räuber-pistole mit gesellschaftspolitischer Bedeutung zu beladen, so dass die Witwen ein wenig ins Stolpern kommen, bleibt McQueens Ausflug in die Welt kompakter Genre-Kost eine formal berauschende Fingerübung. Genau diese guilty pleasures erweisen sich manchmal als die eigentlichen Meisterwerke.

 

 

(dto) USA, GB 2018, R: Steve McQueen, D: Viola Davis, Michelle Rodríguez, Eliza-beth Debicki, 128 Min. Start: 22.11.