Climax

Gaspar Noés mitreißender Tanz- und Horrorfilm kommt schon früh zum Höhepunkt

Der Titel des Films verspricht nicht zu viel: »Climax« steuert tatsächlich auf einen dramatischen Höhepunkt zu. Nachdem zwei Dutzend Tänzer am Vorabend einer Tournee, die die bunt zusammen gewürfelte Truppe bis in die USA führen soll, noch einmal gemeinsam geprobt haben, läuft die anschließende Party aus dem Ruder. Im Laufe der Nacht fallen alle Hemmungen, und die Ereignisse überschlagen sich. 

 

Allerdings lässt sich der Titel zugleich ironisch auffassen, da der Film schon nach wenigen Minuten, bevor der Plot überhaupt richtig in Gang kommt, seinen eigentlichen Höhepunkt hat: die Generalprobe des Ensembles, bei der eine Vielzahl unterschiedlicher Tanzstile vorgeführt wird, die zwar historisch alle auf Breakdance zurückzuführen sind, aber doch höchst individuell erscheinen. Dabei imponieren die Präzision der Choreographie und die Akrobatik der Einzelleistungen. Spaß und ungestüme Energie vermitteln sich auch, weil sich die schwelgerisch- virtuose Kameraarbeit während der langen, ungeschnittenen Szene niemals aufdrängt. 

 

Kurzum, das Ganze ist so toll, dass alles, was danach kommt, un-wei-gerlich antiklimaktisch wirkt — auch, wenn weitere mitreißende Tanzeinlagen und faszinierend zwiespältiger Party-Small-Talk folgen. Diese Wirkung wird noch dadurch gesteigert, dass Regisseur und Drehbuchautor Gaspar Noé, indem er den Abspann unmittelbar auf den Filmanfang folgen lässt, Assoziationen an das antiklimaktische Konzept seines berüchtigtsten Films »Irreversibel« (2002) weckt, der die chronologische Reihenfolge aller Szenen umkehrt. 

 

In jedem Fall ist der Rest von »Climax« nicht annähernd so aufwändig inszeniert wie jener erste furiose Tanz. Dass insgesamt schnell, billig und ohne Drehbuch gearbeitet wurde, kam dem Laiendarsteller-Ensemble (Ausnahme: Sofia Boutella) aber offenbar entgegen und verleiht dem Film eine sympathisch hemdsärmelige, unprätentiöse Anmutung. Das lässt über den plakativen Charakter gelegentlicher Texteinblendungen hinwegsehen, mit denen Noé, wie schon in seinem Debüt »Menschenfeind« (1998), die einfache Handlung kurz unterbricht. So ist auch zu verschmerzen, dass nach anderthalb Stunden weniger Substanzielles herumkommt, als der großspurige argentinisch-französische Filmemacher wohl glaubt.

 

 

 

Climax (dto) F 2018, R: Gaspar Noé, D: Adrien Sissoko, Alaia Alsafir, -Alexandre Moreau, 95 Min. Start: 6.12.