Struggle for life

Susanne Schmelcher inszeniert Kleiner Mann — was nun? geschickt mit einer Doppelmetapher

Die emotionalen Wege des Mannes sind unerforschlich. Pinneberg baut für sich und seiner Frau Emma eine Insel. Er legt einen runden Teppich auf den Boden und schwärmt von Robinson Crusoe — mitten im Berlin der frühen 30er Jahre. Eine mentale Großstadtflucht vor Arbeitslosigkeit, politischen Auseinandersetzungen und Wohnungsnot, die sich den Überlebenskampf in der Natur zum Sehnsuchtsort umdeutet. Eine absurde Konstellation. Denn nichts anderes schildert Hans Fallada in seinem Roman »Kleiner Mann — was nun?« von 1932: Den darwinistisch anmutenden »struggle for life« eines jungen Paares in der Weltwirtschaftskrise. Pinneberg ist ein kleiner Angestellter, der sich mühsam durchschlägt. Er heiratet Emma, genannt »Lämmchen«, die aus einem kämpferischen Arbeiterhaushalt stammt. Sie setzt die Ehe gegen ihren Vater durch und trimmt auch später Pinneberg zum Widerstand gegen demütigende Arbeitsverhältnisse. 

 

Regisseurin Susanne Schmelcher spielt den Abend im Theater im Bauturm mithilfe einer Doppelmetapher durch: Pinnebergs Sehnsuchtsbild der einsamen Insel verwandelt sich allmählich in einen Boxring. Der Teppich wird zur Planche, die sich mit vier Pfosten und Seilen nach außen allmählich abgrenzt. Das Bild des gesellschaftlichen Infights mit Tiefschlägen und der Forderung von Nehmerqualitäten ist zwar nicht neu, nichtsdestotrotz hilfreich für eine eng an den Figuren entwickelte erzählerische Dichte. Matthias Zera als Pinneberg und Nele Sommer als Emma geben ein einträchtiges Paar, das immer stärker in den Fleischwolf der Weltwirtschaftskrise gerät. Mit Hilfe von Bällen führen sie ihr Haushaltsbuch, nur um festzustellen, dass sie sich nichts, nicht einmal ein Kind leisten können. Zu einer mehr als aktuellen Groteske gerät die Wohnungssuche. Was ihnen angeboten wird, sind Bruchbuden zu Wucherpreisen. Sie entscheiden sich schließlich für ein Domizil, das nur über eine Leiter zu erreichen ist. Pinneberg schwankt zwischen Unterwürfigkeit und Widerstand, er joggt im Boxring oder wird von Emmas sozialistisch gestählten Selbstbewusstsein wieder eingenordet.

 

Zum zentrifugalen Mittelpunkt des Abends entwickelt sich allerdings Marc Fischer, der mit seinen Verwandlungen vom berlinernden Strizzi zum brüllenden Firmenchef oder feinsinnigen FKK-Liebhaber sich wandelt und so auch ein Sinnbild des sich ständig verändernden Kapitalismus ist. Er umtänzelt das stoische Paar, bis es gesellschaftlich mürbe geklopft ist. Was daraus wurde, weiß die Geschichte.