Der Himmel strahlt, die Sonne lacht — das hat Jason Lutes gemacht, Zeichnung: Jason Lutes

Berlin, Blicke

Jason Lutes hat seine Comic-Trilogie "Berlin" komplettiert und stellt sie in Köln vor

»Beim realistischen Zeichnen geht es nicht nur um das Motiv, sondern auch um die Perspektive, aus der man es betrachtet«, erklärt ein Kunstprofessor seinen Studierenden 1928 in Berlin. Eine von ihnen ist die gerade aus Köln zugezogene Marthe Müller, die in der Hauptstadt nach neuen Erfahrungen und Horizonten sucht. Marthe repräsentiert eine der Perspektiven, die der 1967 geborene US-amerikanische Comiczeichner Jason Lutes auf die Stadt Berlin zwischen Weltwirtschaftskrise und Machtübernahme der Nationalsozialisten wirft. Neben dem Blickwinkel der Studentin nimmt seine Graphic Novel »Berlin« zahlreiche weitere ein, um ein möglichst realistisches Bild der deutschen Hauptstadt zu zeichnen: ihren Nischen, ihren Konflikten und ihren Abgründen.

 

Er habe so tief wie möglich in die Gedankenwelt seiner Protagonisten eintauchen wollen, sagte Jason Lutes in einem Interview im vergangenen Jahr, als er nach mehr als 20 Jahren sein Projekt abgeschlossen hatte. Daher habe er zur Vorbereitung ausschließlich vor 1933 erschienene Romane, Zeitungen und Bilder gesichtet, die noch nicht vom Wissen um das Kommende geprägt waren. Sein realistischer Zeichenstil und der Blick für die Details der Berliner Straßenzüge lassen über die manchmal klischeehaften Protagonisten hinwegsehen, die einen Querschnitt der Berliner Bevölkerung bilden sollen. Neben der politisch nicht interessierten Studentin Marthe, die im Verlauf der Story die Leser in die homosexuelle Subkultur der Stadt einführt, tritt mit ihrem zeitweiligen Liebhaber, dem Journalisten Kurt Severing, ein Repräsentant des linken Bildungsbürgertums auf den Plan, der mit seinen Warnungen vor dem aufziehenden Nationalsozialismus auf Ignoranz stößt. Daneben wird eine jüdische Familie porträtiert, die dem zunehmenden Antisemitismus ausgeliefert ist, und anhand einer Arbeiterfamilie werden die Fronten zwischen Kommunisten und Nazis aufgezeigt. 

 

Der abschließende Band von Lutes’ Berlin-Trilogie heißt: »Flirrende Stadt«. Er spielt im Jahr 1933, als in Berlin noch das Nebeneinander von Jazz, Kabarett und harten politischen Konflikten herrschte, während am Horizont schon die Katastrophe aufzog. 

 

 

Stadtrevue Präsentiert:

Di 5.2. Literaturhaus, 19.30 Uhr, Jason Lutes: »Berlin. Gesamtausgabe« Carlsen, 608 Seiten, 46 Euro