»Can You Ever Forgive Me?«

Melissa McCarthy brilliert als Fälscherin Lee Israel

Nein, sympathisch kann man sie wirklich nicht nennen. Lee Israel ist stets schlecht gelaunt, unzufrieden und unfreundlich. Sie liebt ihre Katze mehr als die Menschen. Lee ist Biografin. Sie hat anspruchsvolle Bücher über die Schauspielerin Tallulah Bankhead geschrieben, doch keiner will sie lesen. Schlimmer noch: Ihre Agentin wirft sie raus, ihre geliebte Katze wird krank, der Vermieter will sein Geld. Da kommt Lee auf die Idee, ihr Schreibtalent für das Verfassen gefälschter Briefe von berühmten Menschen wie z.B. des Schauspielers und Autors Noel Coward zu nutzen und an interessierte Antiquare zu verkaufen. Das Geschäft floriert, Lee ist obenauf. Als das FBI auf sie aufmerksam wird, überträgt sie die Verkaufsgespräche an ihren schwulen Freund Jack.

 

Lee Israel hat es wirklich gegeben, geboren 1939 in Brooklyn, gestorben 2014 in Manhattan. In den 70er Jahren verdiente sie in New York ihren Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Porträts und Biografien von Prominenten, Anfang der 80er Jahre wandte sie sich der Fälschung zu, bis sie 1993 von einem Gericht verurteilt wurde. Ihre gleichnamige Autobiografie erschien 2008 und sorgte für Kontroversen, weil hier eine Betrügerin und Fälscherin aus ihren Untaten noch Kapital schlug, so der Vorwurf.

 

Die große Überraschung des Films von Marielle Heller (»The Diary of a Teenage Girl«) ist Hauptdarstellerin Melissa McCarthy, die man sonst als schwergewichtige Komikerin in nicht immer gelungenen derben Komödien kennt. Mit großer Nickelbrille, langweiligem Haarschnitt und unvorteilhafter Kleidung spielt sie die alkoholabhängige Misanthropin und macht aus »Can You Ever Forgive Me?« eine beklemmende Einzelstudie über Einsamkeit in der Großstadt.

 

Weder sie noch die Drehbuchautoren Nicole Holofcener und Jeff Witty beschönigen Israels Charakter und so wird aus ihr eine vielschichtige Figur. Natürlich hat sie betrogen. Und: Sie hat Menschen verletzt, auch jene, die ihr eigentlich helfen wollten oder sie sogar sympathisch fanden — wie ihren Freund Jack (klasse: Richard E. Grant), ein schwuler, aidskranker Lebemann, der sichtlich Gefallen an seiner neuen, unmoralischen Aufgabe findet, ansonsten aber nicht sehr verlässlich ist.

 

Nebenbei geht es auch um Kreativität. Lee Israel ist einfach gut in dem, was sie tut. Das wird besonders an den erfundenen Briefen von Dorothy Parker deutlich, deren Schreibstil und Attitüde Israel wundervoll nachstellt. Von Dorothy Parker stammt auch der Filmtitel, und ihr gehört — in einem köstlichen Gag — auch das letzte Wort.

 

 

Can You Ever Forgive Me? (dto), USA 2018, R: Marielle Heller,D: Melissa McCarthy, Richard E. Grant, Dolly Wells, 106 Min. Start: 21.2.