Kann den Zank jetzt von der Seitenlinie verfolgen: Kirsten Jahn (Grüne), Foto: Stadt Köln

Mehr Politikverdruss wagen

Eine Anleitung mit Praxisbeispielen aus dem Kölner Rathaus

 

Während im Rest der Republik noch die Eintracht der Merkeljahre herrscht, wird in der Kölner Lokalpolitik hart gekämpft. Ihren Höhepunkt fand die Auseinandersetzung in der Ratssitzung Mitte Februar. Sie war geprägt von Nickligkeiten, im nicht-öffentlichen Teil sollen sich die Ratsmitglieder angebrüllt haben. 

 

Der Grund sind Posten. Die grüne Ex-Fraktionsvorsitzende Kirsten Jahn hat ohne Ausschreibung einen Job als Geschäftsführerin beim Verein »Metropolregion Rheinland« erhalten. Die SPD hat mal wieder CDU und Grüne gegen sich aufgebracht, weil sie mit der Linkspartei und den Arbeitnehmervertreten im KVB-Aufsichtsrat verhindert hat, dass der Vertrag von KVB-Finanzvorstand Peter Hofmann verlängert wird. Die Ratsmehrheit aus CDU, FDP und Grünen hat daraufhin im Rat durchgesetzt, dass sich die Aufsichtsrats-Mitglieder von SPD und Linkspartei nach dem Willen der Ratsmehrheit zu richten haben. Gemeinsam mit der Stadtverwaltung haben die drei Parteien zudem das Bewerbungsverfahren für eine neue Schuldezernentin gestoppt. Eine der Bewerberinnen, Brigitte Meier (SPD) aus München, hatte im Express verkündet, sich beworben zu haben. Daraufhin sah die Verwaltung das Verfahren gefährdet. Gegen den Stopp will die SPD nun rechtliche Schritte einleiten. 

 

Sie mögen stöhnen: »Typisch Köln!« Wir von der Stadtrevue aber finden: Genug des Köln-Bashings! Es wird Zeit, dass der Rest der Republik von Köln lernt, wie man anständig zankt. Dazu haben wir vier Tipps: 

 

 

1. Die Partei hat immer Recht! 

 

Stehen Sie hinter Ihren Partei-kolleg*innen! Aber vermeiden Sie eine Auseinandersetzung in der Sache. Erwähnen Sie als Grüne zwar, dass der KVB-Finanzvorstand Peter Hofmann, der Ihrer Partei nahesteht, für die Fahrpreise zuständig ist. Aber verschweigen Sie, dass der Nahverkehr in Köln zu den teuersten der Republik gehört. Als SPD-Mitglied sollten Sie so tun, als hätten Sie in Köln nie regiert und als habe Ihre Partei deshalb mit den Verzögerungen beim Schulbau auch nichts zu tun. Schieben Sie stattdessen alles auf die »Noch-OB« Henriette Reker. 

 

 

2. Es geht ums Ganze, immer und überall!

 

Argumentieren Sie wie CDU-Chef Bernd Petelkau. Sagen Sie, dass der Verein »Metropolregion Region« mit fünf Angestellten einen »wichtigen Zukunftspunkt« darstellt, und dass alle Kritiker die Zukunft des Rheinlands in Frage stellen. Begründen Sie als schwarz-grünes Ratsbündnis Ihren Antrag zum KVB-Aufsichtsrat damit, dass er dazu diene, »Schaden von der Gesellschaft« abzuwenden. Wenn Sie als SPD-Mitglied Ihre Kandidatin für den Job der Schuldezernentin nicht durchkriegen, dann sprechen Sie von »mannigfachen Herausforderungen«, die eine Neubesetzung dringend nötig machen. Fordern Sie auf jeden Fall eine »Rückkehr zur Sacharbeit« — egal in welcher Partei Sie sind. 

 

Wenn Sie als Stadtverwaltung der Ansicht sind, dass ein inhaltlich dünner Artikel im Express dafür ausreicht, das Besetzungsverfahren für die Stelle der Schuldezernentin zu stoppen, dann lassen Sie Ihren Stadtdirektor öffentlich darüber sinnieren, wann eine Berichterstattung angemessen sei. Seine Meinung zählt im Zweifel mehr als Artikel 5 des Grund-gesetzes. 

 

Wenn Sie keine höheren Werte ins Feld führen können, dann leihen Sie den »Menschen draußen auf der Straße« Ihre Stimme. Lassen Sie wie Volker Görzel (FDP) Ihren Automechaniker für sich sprechen: »Herr Görzel, Sie sitzen doch im Stadtrat. Ich kann das alles nicht mehr nachvollziehen.« 

 

 

3. Bestellen Sie ein Gutachten! 

 

Falls Sie mit Argumenten und Polemik nicht mehr weiterkommen, werfen Sie Justitia in die Waagschale. Lassen Sie ein Gutachten erstellen, das Ihre Position zur einzig rechtmäßigen erklärt. Wenn Sie in der CDU sind, fragen Sie einen der unzähligen Adenauer-Enkel, ob er Ihnen ein Gutachten schreibt, das Ihre Gegner im KVB-Aufsichtsrat auf Linie bringt. Sind Sie in der SPD, dann suchen Sie einen Verwaltungsexperten, der sagt, dass es nicht rechtmäßig sei, ein laufendes Bewerbungsverfahren zu stoppen. Geben Sie als Stadtverwaltung ein Gegengutachten in Auftrag, aber machen Sie dieses nicht öffentlich. 

 

Lassen Sie sich das Gutachten nicht von irgendjemandem schreiben. Wenn Sie in der SPD sind, beauftragen Sie ein Parteimitglied damit. Wenn Sie in der CDU sind, beauftragen sie ein Parteimitglied damit. Wenn Sie in der Stadtspitze sind, beauftragen Sie die Verwaltung damit. Bezeichnen Sie anschließend jeweils die Gutachten der politischen Gegner als »gekauft«. 

 

Verzichten Sie in jedem Fall darauf, Ihr Gutachten vor Gericht auf seine Rechtssicherheit testen zu lassen, aber behalten Sie sich für die Zukunft weiterhin »rechtliche Schritte« vor. 

 

 

4. Denken Sie voraus! 

 

2020 finden die Wahlen zum Stadtrat und für das Amt der Oberbürgermeisterin statt. Wenn die Wahlbeteiligung weiter sinkt, dann zeigen Sie sich geschockt. Sagen Sie etwas wie: »Wahlen sind für Demokraten wie die Luft zum Atmen. Nichtwählen ist der langsame Tod der Demokratie«, oder finden Sie ein passendes Zitat von Heinrich Böll. Fragen Sie sich auf keinen Fall, ob das alles etwas mit Ihnen zu tun haben könnte.